Die folgende Frage eines Kursteilnehmers war der Ausgangspunkt dieses Inputs: "Du sagst, dass Kinder uns nicht manipulieren. Wie oft muss ich denn meinem Kleinkind den Löffel aufheben, den es umgehend wieder auf den Boden wirft?"

Kinder lieben Regeln. Sie lieben es, Gesetzmässigkeiten zu entdecken und zu schauen, ob sie das nächste Mal auch gelten. So auch mit dem Löffel.

„Ich lass ihn fallen, Papi hebt ihn auf. Ok, gleich nochmals probieren. Es klappt, aha, so ist die Spielregel.“ Diese lebenswichtige Fähigkeit, Regeln zu erkennen und einzuhalten, solltest du auf-, nicht abbauen. Das Kind würde dieses Spiel wohl noch lange spielen, wenn es nicht einen wachsenden Unmut in dir wahrnehmen würde. Dieser Unmut verwirrt es. Es spürt, dass etwas nicht stimmt, weiss aber nicht genau was. Was also tun? In der Verwirrung wird es wohl den Löffel noch einmal fallen lassen, in der Hoffnung, dass der alte Spass zurückkehrt.

Spiele das Spiel mit, zeige dem Kind, dass du seine Fähigkeit schätzest. Dann aber hebe den Löffel irgendwann zum letzten Mal auf, halte ihn ihm hin mit den Worten: "So, ich möchte mit diesem Spiel jetzt aufhören. Ich hebe ihn nicht mehr auf, wenn du ihn runter wirfst." Das Kind wird dann vielleicht prüfen wollen, ob es dich richtig verstanden hat, und wird den Löffel wieder runter schmeissen. Vielleicht wird es sich zunächst freuen, dass du dich erwartungsgemäss verhältst und den Löffel liegen lässt. Vielleicht aber hat es dich nicht verstanden und ist enttäuscht. Dann aber wird es wissen: „Aha, was er sagte, bedeutete, dass er den Löffel jetzt nicht mehr aufhebt. Zu dumm, dass ich das nicht gemerkt habe.“ In beiden Fällen wird es vielleicht den Löffel vermissen und jämmerlich schreien. Dann nimm das Kind am besten aus dem Hochsitz, damit es den Löffel selber holen kann und sich nicht geprellt fühlen muss.

Diese Interpretation ist vertrauenspädagogisch. Es mag sein, dass es Kinder gibt, die ihre Eltern manipulieren wollen. Ich denke, es wird die Ausnahme sein. Wenn du davon ausgehst und deinem Kind das unterstellst, wird es nicht lange dauern, und du wirst recht haben damit. Kinder pflegen das zu tun, was wir von ihnen erwarten.

Denke daran: Die Eltern sind es, die die Vertrauensbeziehung zum Kind, das Join-up, zuerst verlassen, nicht die Kinder. Kinder würden dir nie Manipulation unterstellen, deshalb dauert es oft so lange, bis sie es merken, wenn es vorkommt. Wir Erwachsenen neigen dazu, das dann als Dummheit und Naivität zu interpretieren.