Gibt es ein Recht auf Pflichten?

Es ist eine wunderbare Sache, dass es Kinderrechte gibt, wenngleich das in vielen Ländern noch nicht so bekannt zu sein scheint. Die Kinderrechte sind in unserem Land unbestritten. Niemand würde sich wünschen Kinderarbeit wieder einzuführen. Dennoch scheint es mir manchmal, als hätte man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. 

Im Buch “Erziehen im Vertrauen” gibt es schon seit der ersten Auflage ein Kapitel: “Die gleichwürdige Gemeinschaft”, das in den Jahren seit dem Erscheinen eher noch an Brisanz gewonnen hat: Viele Kinder in unserem Land wachsen auf, werden erwachsen oder mindestens volljährig, ohne dass sie je das Gefühl gehabt hätten, einen substanziellen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten. Viele sind dazu verdammt, eine Art Gast-Dasein zu fristen. Ich nehme nicht an, dass solche jungen Menschen sich bewusst sind, dass ihnen etwas fehlt - im Gegenteil, die meisten wären vielleicht sogar empört, wenn sie darauf angesprochen würden. Es geht darum, dass Kinder nicht nur Rechte brauchen, sondern auch die Gelegenheit, sich nützlich zu machen, einen wirklichen Impact zu haben.

“Wir gehen in die Schule, das ist unsere Arbeit” habe ich auch schon gehört. Ich denke, Kinder spüren, dass das nur die halbe Wahrheit ist. 

Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl, als ich zum ersten Mal einen Traktor fahren durfte. Endlich konnte ich mit den Füssen das Gaspedal erreichen und hatte gleichzeitig den Kopf über dem Lenkrad. Ich schwelgte in der Erkenntnis, dass ich jetzt eine erwachsene Person ersetzte, die stattdessen hinten Heu auf den Wagen lud oder den Rechen zog. Es war ein so erhebendes Gefühl, ein richtiger Arbeiter zu sein. Später erlebte ich Ähnliches, als mir der Grossvater das Melken beibrachte, obwohl wegen der Melkmaschinen nur noch das Anmelken nötig war, dazu aber taugten meine kleinen Hände wunderbar. Im eigenen Haushalt litt ich unter der Konkurrenz meiner grösseren Geschwister, die alle Arbeiten im Haushalt übernahmen, die von Wert waren und mir nur noch jene Arbeiten liessen, die mir minderwertig vorkamen: Sie lasen Äpfel ab, ich -auf. Konnte das eine erfüllende Tätigkeit sein? Die Grossen pflanzten - ich jätete. Diese missliche Lage - in unheiliger Allianz mit meiner Bequemlichkeit - hinterliess in mir ein Gefühl von Minderwert, das durch gute Schulleistungen nur zum kleinen Teil aufgehoben wurde.Darüber hinaus lernte ich auch vieles nicht, traute mir immer weniger zu, sodass ich erwachsen werden musste um wirklich zu glauben, dass ich nicht zwei linke Hände habe. Noch heute aber muss ich mir immer gut zureden, wenn es darum geht praktische Arbeiten anzupacken. 

Also: Gib deinen Kindern die Chance nützlich zu sein. Spanne sie ein, auch wenn deren Bequemlichkeit manchmal dagegen spricht und du manchmal schneller wärest ohne ihre Hilfe. Es lohnt sich. Im Kapitel “Die gleichwürdige Gemeinschaft” findest du hilfreiche Gedanken zum Thema. 

Ich lade dich ein, im Podcast das Interview mit Claudia Feierabend zu hören, die nicht nur eine tüchtige Sekretärin ist, sondern auch engagiert im Team mitarbeitet.

 

Hier gehts zum Podcast. 

 

Podcast des Monats


Auch dieses Mal haben wir über das Thema des Monats einen Podcast aufgenommen. Hier findest du den Podcast mit Heinz Etter.