Refresher

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Refresher 21-05 «Wenn Kinder unzufrieden sind - ein Experiment»

Wenn Kinder unzufrieden sind - ein Experiment

Hast du manchmal unzufriedene Kinder?

Dies, obwohl sie ja alles haben, du für sie sorgst, immer da bist, vorausdenkst, sie rechtzeitig ermahnst, nichts zu vergessen, rechtzeitig loszumarschieren usw. Kränkt dich ihre Undankbarkeit? Nervt es dich, dass sie streiten, statt füreinander da zu sein?

Dabei hast du selber eigentlich eine Herzensbeziehung zu ihnen und sie zu dir, ja sogar eine Join-up Beziehung. Du kannst wunderschöne Gespräche mit ihnen führen, bist nahe dran an ihren Herzen. Dennoch ist der Alltag voll von Unzufriedenheit, Neid und Eifersucht.

Kurz, fühlst du manchmal ohnmächtig und frustriert in der Rolle als Mama?

Wenn das meiste auf dich zutrifft, dann bist du die Person, die ich heute besonders ansprechen möchte. (Du darfst freilich auch ein Papa sein...)

Ich möchte dich einladen zu einem kleinen Experiment.

Wenn du Zeit und Lust hast, erkläre ich dir im – sehr kurzen - Podcast, welche Überlegungen hinter dem Experiment stecken - oder hier in schriftlicher Form.

Du kannst auch einfach zur Tat schreiten und dir selber überlegen, was dahinter stecken könnte.

Worum geht es?

Kinder kommen auf die Welt und sind nicht nur motiviert, sondern darauf angewiesen, dass sie sich aktiv einbringen dürfen. Sie wollen zum Beispiel nicht einfach, dass die Muttermilch in ihren Mund spritzt, sondern sie wollen saugen. Sie wollen die Brust massieren, wollen die Mutter anschauen, mit ihr in Kontakt treten usw. Wenn ihnen solches verwehrt wird, sind sie frustriert und schreien. Die Gehirnentwicklung ist auf die Aktivität der Kinder angewiesen – fast ebenso sehr wie auf die Zuwendung und Liebe der Bezugspersonen. 

Auch als Kleinkinder wollen Kinder aktiv sein, wollen ausprobieren, wollen fühlen, an die Grenzen gehen. 

Wenn Kinder laufend Zuwendung bekommen, ohne dass ihre eigene Zuwendung, ihr eigener Beitrag ans Geschehen funktioniert, löst das in ihnen eine grosse Verunsicherung aus. Sie werden frustriert ohne zu spüren wodurch. Wir spüren ihre Unzufriedenheit und sind versucht unsere Anstrengungen zu intensivieren, ihnen Dinge zu geben, sie zu unterhalten, Liebe zu schenken, sie zu herzen usw. Dabei haben sie vielleicht von all dem schon zu viel. Was ihnen fehlt, ist die Möglichkeit sich einzubringen, die Balance zwischen Nehmen und Geben zu finden. 

Schnell gewöhnen sich Kinder an diese Situation. Sie passen sich an, nehmen es hin, dass ihr Beitrag nicht gefragt ist. Nachdem unser ganzes Nervensystem aufs Energie sparen angelegt ist und wir uns nicht sinnlos aktivieren, sind alle Lebewesen in einem gewissen Sinne auch träge. So kann es passieren, dass  ihre unfreiwillige Passivität und ihre Bequemlichkeit eine unheilige Allianz eingehen. 

Spätestens jetzt erleben wir diese Kinder als faul. Sie vermeiden Anstrengungen, sie wollen unterstützt und angeregt werden. Sonst leiden sie und beklagen sich.

Erwachsene reagieren darauf und sind frustriert, wenn der Umgang mit ihrem Kind immer mehr Anstrengung braucht und immer weniger Effekt zu haben scheint. 

Undankbare und unzufriedene Kinder sind entstanden.

Jetzt beginnt das eigentliche Problem, denn nun deuten wir das moralisch, nehmen es ihnen mit der Zeit übel, geben ihnen entsprechende Feedbacks, bis die Kinder selber schlecht über sich denken, leicht kränkbar werden, quengelig und aggressiv die einen, antriebslos die anderen. 

Vergib mir die nötigen Vereinfachungen hier. Es kann ja auch ganz anders laufen. Wenn du herausfinden willst, ob die Situation deines Kindes mit dieser Betrachtung zu tun hat, dann lade ich dich ein, bei einem Experiment mitzumachen.

Ermögliche es deinem Kind sich selber als Quelle des Glücks anderer zu erleben.

Sorge dafür, dass dein älteres Kind für das jüngere etwas Gutes tun kann.

Wenn ich also vorschlage, dass dein älteres Kind einem jüngeren helfen soll, dann geht es diesmal nicht ums kleinere, sondern um das gute Gefühl des älteren Kindes, etwas Sinnvolles zu tun. Vielleicht kann es ihm ein Büchlein zeigen, ihm ein Spiel beibringen oder es auf einen Botengang mitnehmen. Je nach Alter und Reife halt.

Beim zweiten Experiment geht es darum, dass ihr als ganze Familie herausfindet aus der Einbahnstrasse. Versucht gemeinsam anderen etwas Gutes zu tun. Backt vielleicht zusammen Kekse, die ihr anschliessend als kleine Geschenke in die Milchkästen legt. Ich erinnere mich, was es in uns und den Nachbarskindern ausgelöst hat, als sie uns ein kleines Gebäck brachten. Sie hatten nicht einfach Spass, es war mehr: Erfüllung, sie waren glücklich und wir auch – fast mehr über die Freude der Kinder als über das Gebäck. 

Wenn ich dich im dritten Punkt einlade dich zurückzunehmen und es deinem Kind zu gestatten, Probleme zu haben, um sie selber zu lösen, dann meine ich etwa folgendes: Höre auf, dein Kind anzutreiben. Sag ihm am Abend vorher: Morgen musst du selber schauen, dass du rechtzeitig zur Schule kommst. Ich mache dich auf die Zeit aufmerksam, aber ob du dann entsprechend reagierst oder nicht, das überlasse ich dir. Denkst du, dass du früher aufstehen solltest, wenn dich niemand antreibt? Wahrscheinlich wird das Kind davon absehen. Du wirst mit grosser Wahrscheinlichkeit stauen, dass es selber alles macht, was du bis jetzt von ihm gefordert hast. Freue dich darüber und lass es zu, wenn andere Dinge nicht funktionieren. Mache dich einzig bereit dein Kind zu unterstützen, wenn es deine Hilfe sucht. 

In allen drei Punkten geht es also darum, dass deine Kinder von Objekten zu Subjekten werden dürfen bzw. sollen. Überlasse ihnen den Erfolg, wenn sie rechtzeitig in der Schule ankommen und erst noch mit ihren Sachen. Ermögliche ihnen das gute Gefühl des Erfolges, aber auch das Leiden im Misserfolg. Stehe ihnen bei, aber nutze ihre Energie, nicht deine. Kinder wollen laufen, nicht getragen werden. 

Ich fasse zusammen: 

In diesem Experiment wollen wir davon ausgehen, dass Kinder nicht (nur) Empfänger von Wohltaten sein wollen, sondern Urheber des Schönen und Guten. Wir wollen davon ausgehen, dass sie nicht Objekte, sondern Subjekte sein wollen. 

Man kann auf die Dauer nicht die Liebe der Mitmenschen wahrnehmen, wenn man selber nicht aktiv Taten der Liebe tut. Ein Zuviel an Verständnis und Wertschätzung, ohne gleichzeitig ähnliches mit anderen zu tun, verleitet dazu narzisstische Züge zu entwickeln. 

Über das Phänomen des Narzissmus spreche ich ein andermal ausführlicher.

 

 

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