Refresher

Stöbern Sie hier im Archiv unserer Infobriefe. Wenn Sie etwas zu einem bestimmten Thema suchen, dann sind die Briefe einerseits in Kategorien geordnet, andererseits können Sie auch unter "Tags" nach Themeninhalten suchen. Viel Spass!

Refresher 21-10 «InBindung 3: Bindung über die Sinne»

InBindung 3: Bindung über die Sinne

Wenn Katzen uns um die Beine streichen, Hunde uns lecken oder eine Streicheleinheit abholen, dann kann uns das an ein elementares Grundbedürfnis in der ganzen Schöpfung erinnern: Wir sind Wesen, die Nähe und Körperkontakt brauchen um nicht zu verkümmern oder gar zu sterben. Für Babys ist diese Art von Nähe überlebenswichtig. Sie sterben, wenn sie nur ernährt und versorgt werden, statt geliebt und gekuschelt. Tiere kennen keine Scham, deshalb fordern sie die Nähe ein. Viele Babys tun es auch. Später reagieren wir eher mit Scham und Rückzug, wenn uns die körperliche Nähe fehlt. Irgendetwas in uns sagt uns, dass es wahrscheinlich an uns selber liegt, wenn Menschen uns nicht nahe sein wollen. Viel Elend, Streit und Verzweiflung kommen in unsere Familien, weil wir es nicht schaffen uns diese Nähe zu geben. Das frustrierte Bedürfnis nach Nähe, die existenzielle Kränkung hat ein furchterregendes Potenzial. Doch halt, wenn wir unseren Kindern nahe sind aus Angst vor solchen Entwicklungen, dann werden wir das Ziel verfehlen. Es ist vielmehr die Anziehungskraft, die wir aufeinander ausüben, die uns auf den guten Weg führt. Dennoch ist es hilfreich diese Zusammenhänge zu kennen, wenn wir sehen, wie Menschen Böses tun. Das Böse in Kindern kommt meist aus dieser existentiellen Frustration und - gestatte mir diesen Vergleich - das Böse in der Welt kommt aus der Entfremdung vom liebenden Gott, wie er sich in Jesus auf unvergleichliche Weise offenbart hat. Die intime Nähe, die dieser liebende Gott zulässt, ist eher geeignet unser Existenzängste zu überwinden als alle menschliche Vorsorgesysteme. 

Alles, was Menschen trennt und isoliert macht uns Angst und ist der Nährboden für Misstrauen, Ablehnung und Feindseligkeit. 

Liebe und Nähe sind ein Leben lang die Quelle von Zufriedenheit und Glück, von Engagement und Erfüllung. Nur zu oft aber ist es die Angst vor dem Verlust von Liebe und Nähe, die uns umtreibt. Diese Angst ist dann meist nicht so sehr der Lebenssituation geschuldet, sondern sie wurzelt in den Anfängen unseres Lebens und der Art, wie wir unsere ersten Erfahrungen vor und nach der Geburt eingeordnet haben. 

Wenn du dich selber und deine Lieben besser verstehen willst, lohnt es sich diesen Podcast zu hören.

 

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Refresher 21-09 «InBindung 2: Was hat Reifung mit Bindung zu tun?»

InBindung 2: Was hat Reifung mit Bindung zu tun?

Diese Folge aus dem Podcast InBindung widmet sich einem Thema, das Dr. Gordon Neufeld ins helle Licht gerückt hat: Das Phänomen der Reifung. Es war der Schweizer Psychologe Jean Piaget, der hier bahnbrechendes entdeckt hat. Er beschäftigte sich freilich nur mit der kognitiven Reifung. Aber er fand heraus, dass es nicht reicht kognitive Anlagen zu haben, sondern, dass diese im richtigen Augenblick gewissermassen erweckt werden müssen um sich zu entfalten. Wenn das nicht geschieht, ist es später nicht mehr möglich. Man hat das schon öfters bei Menschen beobachtet, die nicht rechtzeitig - in den sensiblen Phasen, wie sie Piaget nennt - mit Menschen konfrontiert waren, später nie mehr sprechen lernten. Er entdeckte auch, wie unsinnig es ist, Kinder vorher mit gewissen Problemen zu konfrontieren, weil sie das nur verunsichert und nicht fördert. 

Neufeld war es, der mir und vielen anderen den Blick dafür öffnete, dass es auch eine emotionale Reifung gibt, die sich ähnlich entfaltet, nämlich automatisch, solange gewisse Bedingungen erfüllt sind. Eine zentrale Grundvoraussetzung für eine solche Entwicklung ist die Bindung an fürsorgliche Erwachsene - im Idealfall an die Eltern beiderlei Geschlechts, denn Väter und Mütter stossen die Entwicklung unterschiedlicher emotionaler Strukturen an, in Jungen anders als in Mädchen. Das wird leider gerade in unseren Tagen auf eine gefährliche Weise ignoriert - wie die Reifung selbst. Dieser Podcast rückt in den Fokus, wie zentral die Bindung für die Entfaltung der Emotionen der Kinder sind. Diese sind es, die unseren Alltag prägen, nicht so sehr unsere Denkkraft, unsere Ausbildung usw. 

Überlegungen geben die Richtung an, sie zügeln die Emotionen, aber sie selber haben keine Kraft, so wenig wie das Steuerrad und das Gaspedal beim Auto. 

Übrigens: Wie das Lernen gelingen kann ohne die Reifung zu beeinträchtigen, habe ich im Buch “Lernen UND Reifen im Vertrauen” dargestellt. 

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Refresher 21-08 «InBindung 1: Die kindliche Unreife»

InBindung 1: Die kindliche Unreife

Hallo, und herzlich Willkommen zurück von der Sommerpause. Wie versprochen starten wir heute mit einer Serie von Refreshern, die sich um den Podcast InBindung drehen. Du findest ihn anhand unserer jeweiligen Links oder auch selber unter diesem Titel überall, wo es Podcasts gibt. 

Es gibt wohl kaum etwas Spannenderes als zu sehen, wie sich ein unreifes Kind in ein reifes Kind verwandelt - ganz ohne, dass Eltern dazu etwas beitragen könnten oder müssten. Diese Verwandlung - ähnlich spektakulär wie die Pubertät - geschieht leider, ohne dass viele sich dessen bewusst sind. Im Unterschied zum Stimmbruch und zur Menstruation ist die Verwandlung von aussen nicht direkt sichtbar. Viele Menschen sind sich deshalb gar nicht bewusst, dass da ein Wandel stattfindet und schon gar nicht einer mit dieser Tragweite. Weil wir uns nicht bewusst sind, wie anders kleinkindliche Gehirne funktionieren, sind Eltern immer wieder hilflos im Umgang mit ihren Knirpsen. Sie verstehen nicht, warum sie so ausrasten können, um im nächsten Moment wieder zufrieden zu sein. Ohne das Wissen um diese Andersartigkeit können wir nicht verstehen, warum ein Fünfjähriger ohne Bedenken einer Heuschrecke ein Bein ausreissen kann und dann voller Mitgefühl für das Tierchen Futter sucht. In meinen Vorträgen vergleiche ich das kindliche Gehirn, vor allem das kindliche Bewusstsein, gerne mit einem Smartphone, das bei den meisten Apps im Vollbildmodus läuft. Sind nicht unsere Kleinen auch so? Wenn sie am Spielen sind, können sie nicht gleichzeitig auf uns hören. Sie verlieren sich ganz in einer Sache. Wenn sie wütend sind, ist kein Raum auf dem “Bildschirm” für Verständnis und Mitgefühl oder gar Liebe für den kleinen Bruder. Diese Gefühle kommen dann schon, aber frühestes ein paar Minuten später, nach dem Abklingen der grossen Emotion. Und genau darin liegt das Erstaunliche dieses Umbruchs zwischen 5 und 7 Jahren: Immer mehr gelingt es, mehrere Gefühle und Gedankengänge gleichzeitig zu verarbeiten. Zorn und Mitgefühl, Neid und Zuneigung. Man nennt das die Integration der Emotionen. 

Der Podcast führt dich ein in diese Zusammenhänge, die in späteren Folgen noch vertieft werden. Er folgt dabei dem Ansatz von Dr. Gordon Neufeld, dem kanadischen Bindungsforscher, bei dem ich selber auch studiert habe. Ich wünsche dir viel Freude dabei. 

Für das VP-Team
Heinz Etter

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Refresher 21-06 «Wenn Kinder unzufrieden sind - Teil 2»

Wenn Kinder unzufrieden sind - Teil 2

Hast du beim Experiment mitgemacht, das ich im letzten Refresher angeregt habe? Wenn nein, hast du noch ein Leben lang Zeit dafür… Denn die folgenden zentralen Sätze werden gültig bleiben: 

  • Kinder wollen Subjekte sein, Menschen, die etwas bewegen und bewirken, nicht nur Objekte der Beschulung und der Betreuung. 
  • Und was auch bleiben wird, obwohl viele Kinder das Gegenteil erleben: Kinder wollen sich an den Eltern orientieren, sie fühlen tief in sich die Aufgabe, sich ans Leben der Eltern anzupassen - nicht umgekehrt. 

Wenn Eltern ihnen das Gefühl geben, dass sie selber keine Pläne und Interessen haben für Ausflüge und Ferien, sondern einzig nach Spiel- und Spassarealen für die Kinder Ausschau halten, dann fehlt den Kindern etwas Wichtiges: Sie möchten nämlich erleben, was ihre Eltern begeistert, freut, inspiriert - oder anrührt. Im Idealfall springen solche Vorlieben und Haltungen auf Kinder über. So entstehen dann Gelegenheiten gemeinsam etwas zu erleben, was fasziniert und erfüllt. Wie traurig ist es, wenn Leute so über ihr Freizeitverhalten sprechen: “Wir machen nur Dinge, wo die Kinder ihren Spass haben, sonst sind sie ohnehin unerträglich.”  Ist das nicht ein Jammer? Wie sollen Kinder denn erkennen, dass die Eltern auch ein Leben haben ausserhalb derer, Kinder aufzuziehen und zu diesem Zweck Geld zu verdienen, eine entsprechende Behausung zu bauen oder zu mieten? Hier gilt dann freilich: Pro Kind ein Zimmer muss sein. Früher passte sich die Wohnung dem Budget der Eltern an. War das so falsch? Ich erinnere mich noch, als wir in unser Haus einzogen (zugegeben auch wir haben pro Kind ein Zimmer gebaut…) da wollten die Kinder zunächst alle im gleichen Zimmer schlafen, wie sie es sich gewohnt waren. Wir einigten uns dann auf das Beziehen von zwei Zimmern, eines für die beiden Jungs und eines für die beiden Mädchen. So blieb es jahrelang. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, dass sie jetzt seit Jahren erfolgreich das Zimmer mit ihren Partner*innen teilen….

Für Kinder Opfer zu bringen ist zweifelsohne unerlässlich und namentlich am Anfang der Elternschaft herausfordernd, aber lieber früher als später sollten wir über sie denken wie unsere Vorfahren: Wow, was für ein Segen, Kinder zu haben, die einem so viel abnehmen. Tönt ziemlich weltfremd, ich weiss, aber vielleicht ist es gerade deshalb wahr. 

Eben haben wir in dieser Hinsicht eine gute Erfahrung in eigener Sache gemacht. Wir haben in unserem Büro eine wichtige Aufgabe an einen Schulabgänger delegiert, die Aufgabe nämlich, alle Links auf unserer Webseite durchzutesten und anhand von Screenshots zu dokumentieren, wo etwas nicht funktioniert. Das hat wunderbar geklappt und Claudia entlastet. Wer weiss, vielleicht inspiriert es dich Ähnliches zu wagen.

 

Dies ist vorläufig der letzte Podcast, wo ich aus meiner eigenen Praxis schreibe und spreche. Wir wollen uns nämlich mit einer Serie, von aus meiner Sicht sehr wertvollen Podcasts, beschäftigen. Du kannst sie selber unter “inBindung” finden. Ich werde sie im Refresher jeweils kurz vorstellen und verlinken. Du wirst begeistert sein. 

 

Im heutigen Podcast werden wir eine der Absolventinnen des BRK, des Kurses für Berater*innen und Referent*innen kennenlernen: Katja Wildberger. Sie erzählt uns kurz von sich und dann von ihren Erfahrungen mit dem Experiment vom letzten Refresher. 

Ende Juli wird es keinen Refresher geben, erst wieder Ende August. Bis dahin wünsche ich dir erholsame und erfüllende Sommerferien mit guten Begegnungen mit Menschen und mit Gott. 

Heinz

 

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Refresher 21-05 «Wenn Kinder unzufrieden sind - ein Experiment»

Wenn Kinder unzufrieden sind - ein Experiment

Hast du manchmal unzufriedene Kinder?

Dies, obwohl sie ja alles haben, du für sie sorgst, immer da bist, vorausdenkst, sie rechtzeitig ermahnst, nichts zu vergessen, rechtzeitig loszumarschieren usw. Kränkt dich ihre Undankbarkeit? Nervt es dich, dass sie streiten, statt füreinander da zu sein?

Dabei hast du selber eigentlich eine Herzensbeziehung zu ihnen und sie zu dir, ja sogar eine Join-up Beziehung. Du kannst wunderschöne Gespräche mit ihnen führen, bist nahe dran an ihren Herzen. Dennoch ist der Alltag voll von Unzufriedenheit, Neid und Eifersucht.

Kurz, fühlst du manchmal ohnmächtig und frustriert in der Rolle als Mama?

Wenn das meiste auf dich zutrifft, dann bist du die Person, die ich heute besonders ansprechen möchte. (Du darfst freilich auch ein Papa sein...)

Ich möchte dich einladen zu einem kleinen Experiment.

Wenn du Zeit und Lust hast, erkläre ich dir im – sehr kurzen - Podcast, welche Überlegungen hinter dem Experiment stecken - oder hier in schriftlicher Form.

Du kannst auch einfach zur Tat schreiten und dir selber überlegen, was dahinter stecken könnte.

Worum geht es?

Kinder kommen auf die Welt und sind nicht nur motiviert, sondern darauf angewiesen, dass sie sich aktiv einbringen dürfen. Sie wollen zum Beispiel nicht einfach, dass die Muttermilch in ihren Mund spritzt, sondern sie wollen saugen. Sie wollen die Brust massieren, wollen die Mutter anschauen, mit ihr in Kontakt treten usw. Wenn ihnen solches verwehrt wird, sind sie frustriert und schreien. Die Gehirnentwicklung ist auf die Aktivität der Kinder angewiesen – fast ebenso sehr wie auf die Zuwendung und Liebe der Bezugspersonen. 

Auch als Kleinkinder wollen Kinder aktiv sein, wollen ausprobieren, wollen fühlen, an die Grenzen gehen. 

Wenn Kinder laufend Zuwendung bekommen, ohne dass ihre eigene Zuwendung, ihr eigener Beitrag ans Geschehen funktioniert, löst das in ihnen eine grosse Verunsicherung aus. Sie werden frustriert ohne zu spüren wodurch. Wir spüren ihre Unzufriedenheit und sind versucht unsere Anstrengungen zu intensivieren, ihnen Dinge zu geben, sie zu unterhalten, Liebe zu schenken, sie zu herzen usw. Dabei haben sie vielleicht von all dem schon zu viel. Was ihnen fehlt, ist die Möglichkeit sich einzubringen, die Balance zwischen Nehmen und Geben zu finden. 

Schnell gewöhnen sich Kinder an diese Situation. Sie passen sich an, nehmen es hin, dass ihr Beitrag nicht gefragt ist. Nachdem unser ganzes Nervensystem aufs Energie sparen angelegt ist und wir uns nicht sinnlos aktivieren, sind alle Lebewesen in einem gewissen Sinne auch träge. So kann es passieren, dass  ihre unfreiwillige Passivität und ihre Bequemlichkeit eine unheilige Allianz eingehen. 

Spätestens jetzt erleben wir diese Kinder als faul. Sie vermeiden Anstrengungen, sie wollen unterstützt und angeregt werden. Sonst leiden sie und beklagen sich.

Erwachsene reagieren darauf und sind frustriert, wenn der Umgang mit ihrem Kind immer mehr Anstrengung braucht und immer weniger Effekt zu haben scheint. 

Undankbare und unzufriedene Kinder sind entstanden.

Jetzt beginnt das eigentliche Problem, denn nun deuten wir das moralisch, nehmen es ihnen mit der Zeit übel, geben ihnen entsprechende Feedbacks, bis die Kinder selber schlecht über sich denken, leicht kränkbar werden, quengelig und aggressiv die einen, antriebslos die anderen. 

Vergib mir die nötigen Vereinfachungen hier. Es kann ja auch ganz anders laufen. Wenn du herausfinden willst, ob die Situation deines Kindes mit dieser Betrachtung zu tun hat, dann lade ich dich ein, bei einem Experiment mitzumachen.

Ermögliche es deinem Kind sich selber als Quelle des Glücks anderer zu erleben.

Sorge dafür, dass dein älteres Kind für das jüngere etwas Gutes tun kann.

Wenn ich also vorschlage, dass dein älteres Kind einem jüngeren helfen soll, dann geht es diesmal nicht ums kleinere, sondern um das gute Gefühl des älteren Kindes, etwas Sinnvolles zu tun. Vielleicht kann es ihm ein Büchlein zeigen, ihm ein Spiel beibringen oder es auf einen Botengang mitnehmen. Je nach Alter und Reife halt.

Beim zweiten Experiment geht es darum, dass ihr als ganze Familie herausfindet aus der Einbahnstrasse. Versucht gemeinsam anderen etwas Gutes zu tun. Backt vielleicht zusammen Kekse, die ihr anschliessend als kleine Geschenke in die Milchkästen legt. Ich erinnere mich, was es in uns und den Nachbarskindern ausgelöst hat, als sie uns ein kleines Gebäck brachten. Sie hatten nicht einfach Spass, es war mehr: Erfüllung, sie waren glücklich und wir auch – fast mehr über die Freude der Kinder als über das Gebäck. 

Wenn ich dich im dritten Punkt einlade dich zurückzunehmen und es deinem Kind zu gestatten, Probleme zu haben, um sie selber zu lösen, dann meine ich etwa folgendes: Höre auf, dein Kind anzutreiben. Sag ihm am Abend vorher: Morgen musst du selber schauen, dass du rechtzeitig zur Schule kommst. Ich mache dich auf die Zeit aufmerksam, aber ob du dann entsprechend reagierst oder nicht, das überlasse ich dir. Denkst du, dass du früher aufstehen solltest, wenn dich niemand antreibt? Wahrscheinlich wird das Kind davon absehen. Du wirst mit grosser Wahrscheinlichkeit stauen, dass es selber alles macht, was du bis jetzt von ihm gefordert hast. Freue dich darüber und lass es zu, wenn andere Dinge nicht funktionieren. Mache dich einzig bereit dein Kind zu unterstützen, wenn es deine Hilfe sucht. 

In allen drei Punkten geht es also darum, dass deine Kinder von Objekten zu Subjekten werden dürfen bzw. sollen. Überlasse ihnen den Erfolg, wenn sie rechtzeitig in der Schule ankommen und erst noch mit ihren Sachen. Ermögliche ihnen das gute Gefühl des Erfolges, aber auch das Leiden im Misserfolg. Stehe ihnen bei, aber nutze ihre Energie, nicht deine. Kinder wollen laufen, nicht getragen werden. 

Ich fasse zusammen: 

In diesem Experiment wollen wir davon ausgehen, dass Kinder nicht (nur) Empfänger von Wohltaten sein wollen, sondern Urheber des Schönen und Guten. Wir wollen davon ausgehen, dass sie nicht Objekte, sondern Subjekte sein wollen. 

Man kann auf die Dauer nicht die Liebe der Mitmenschen wahrnehmen, wenn man selber nicht aktiv Taten der Liebe tut. Ein Zuviel an Verständnis und Wertschätzung, ohne gleichzeitig ähnliches mit anderen zu tun, verleitet dazu narzisstische Züge zu entwickeln. 

Über das Phänomen des Narzissmus spreche ich ein andermal ausführlicher.

 

 

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Refresher 21-04 «Widerstandskraft in Zeiten von Corona» Frühlingstagung als Podiumsdiskussion

Widerstandskraft in Zeiten von Corona - Frühlingstagung als Podiumsdiskussion

Diesem Thema widmen wir uns, an unserer diesjährigen «Frühlingstagung», welche wir Corona-bedingt streichen mussten, in einer Online-Podiumsdiskussion. Die TeilnehmerInnen stammen - ausser Heinz Etter und Simon Schori - aus dem laufenden BRK (Berater- und Referentenkurs). Wir diskutieren unter der Leitung unseres Präsidenten Martin Reimann. Vielleicht hast du das Datum der Frühlingstagung ja noch in deinem Kalender und magst mit dabei sein. Den Link dazu mit allen Angaben am Schluss dieses Inputs...

Keine Angst, ich trete hier nicht ein auf die Debatte pro oder contra Corona-Massnahmen, aber ich denke, wir können in dieser Zeit viel lernen darüber, was Resilienz bedeutet. Überall lesen und hören wir, wie schwer sich unsere Kinder und Jugendlich mit den aktuellen Einschränkungen tun. Eine Mutter klagte mir, dass man zwei Monate warten müsse, wenn man für sein Kind im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst einen Termin brauche. Diese Problematik soll uns beschäftigen, nicht Sinn oder Unsinn der aktuellen Politik. Resilienz und Resilienzforschung ist in aller Munde. Was genau bedeutet Resilienz?

Fragen wir den Duden: «psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen».

Wir sind uns sicher einig, dass Resilienz sinnvolles und wichtiges Entwicklungsziel wäre. Gleichzeitig wollen wir aber auch, dass unsere Kinder sensibel sind. Am besten wäre also eine Pädagogik, die Kinder gleichzeitig sensibel und resilient macht. Wir wollen ja nicht, dass unsere Kinder im Frustkreisel vorschnell in der Adaption landen, einfach alles hinnehmen und sich arrangieren. Sie sollen aber auch nicht gleich in Wut und Verzweiflung geraten, wenn etwas nicht funktioniert oder wenn ihnen etwas versagt bleibt. Wir wollen sie vielmehr als Kämpfer gegen das Ungemach der Zeit erleben, die phantasievoll neue Wege beschreiten. Die Frage bleibt, ob die Erziehung damit etwas zu tun hat, oder ob das nicht einfach Charakter-bedingt ist. Du kennst vielleicht die Lehre mit den vier Temperamenten. Wir können sie gut anhand dieser Situation unterscheiden:

Stelle dir vor, jemand geht auf einem Weg spazieren, der durch einen umgestürzten Baum versperrt ist. Der Sanguiniker wird darüber hinwegklettern, ohne sich gross Gedanken zu machen. Der Phlegmatiker wird sich hinsetzen und geduldig warten, bis ein Choleriker des Weges kommt, der den Baum wegräumt. Wäre er ein Melancholiker würde er darüber grübeln, warum ausgerechnet dann, wenn er spazieren geht, ein Baum auf den Weg stürzt. Zugegeben, es gibt modernere Typenlehren als diese, die auf die alten Griechen zurückgeht. Die Frage bleibt, haben wir als Eltern und Lehrkräfte Einfluss auf solche Eigenschaften? Haben unsere Nachkommen selber eine Wahl, ob sie so oder anders reagieren?

Wir treffen uns auf Zoom. Mit diesem Link (https://zoom.us/j/93840708145?pwd=MWUwUFg3NGVjMlFHN3laeXh1S3dzZz09) kannst du dich am 8. Mai 2021 einwählen. Wir starten um 9 Uhr und die Diskussion dauert bis ca 10.30 Uhr. Zu gegebener Zeit bist du eigeladen selber Fragen zu stellen.
Falls der Link nicht funktioniert findest du uns auf Zoom im Meeting: 938 4070 8145 mit dem Kenncode: 465689

 

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Hier der versprochene Podcast von der Online-Frühlingstagung.

 

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Refresher 21-03 «Hast du schon einmal dein Kind gehasst?»

Hast du schon einmal dein Kind gehasst?

Wahrscheinlich gehörst du zu den Menschen, die zugeben müssen, dass ihnen das schon passiert ist. Wie ist so etwas möglich? Gibt es eine Liebe, die tiefer ist als die Liebe zwischen Eltern und Kindern? Wohl kaum. Es gibt zwar die Verliebtheit, die man freilich intensiver erlebt, aber es gibt wohl kaum eine robustere Beziehung als die zwischen Eltern und Kindern. Und wohl auch keine, die grössere Krisen und schrecklichere Enttäuschungen, selbst Verrat und - eben - Hass überlebt. 

Ich erinnere mich, was die Schülerinnen und Schüler im Sonderschulinternat, das ich geleitet habe, von ihren Eltern alles einstecken mussten. Wieviel Zurückweisung und Ablehnung. Und zwar auf beiden Seiten. Dennoch hielten sie aneinander fest und Beleidigungen gegen die Mutter war immer die letzte Eskalationsstufe, bevor die Fäuste sprachen. 

Wie also kann man Menschen hassen, mit denen man auf diese Weise verbunden ist? 

Wir hassen einander mitunter nicht OBWOHL wir so miteinander verbunden sind, sondern WEIL wir es sind. Niemand kann uns so verletzen wie jene, die wir lieben. Je intensiver die Beziehung, desto vehementer ist auch der Hass. Dr. Gordon Neufeld, der kanadische Bindungsforscher, hat mir ein besseres Wort beigebracht als das Wort “Hass”. Es heisst “Bindungs-Umkehr”. Es geht um die Umkehrung der Bindungs-Instinkte. Immer dann, wenn wir in einer tiefen Beziehung zu sehr oder zu oft frustriert werden, laufen wir Gefahr in einen solchen Zustand zu geraten. 

Neufeld beschreibt es als eine Art Notabschaltung des Bindungs-Gehirns. Wenn du schon einmal Lust hattest, dein Kind zu ohrfeigen, zu schütteln oder gar es an die Wand zu knallen, dann weisst du, in welche Zustände wir als Eltern geraten können - gerade jene, die sehr emotional sind in ihrer Liebe. Wir haben einander ja bisweilen zum Fressen gern... Liebst du deine Kinder deshalb weniger? Nein! Bist du deshalb eine schlechte Mama oder ein schlechter Papa? Nein! Viele denken das aber. Sie machen sich schlimme Vorwürfe und zweifeln an ihrer Eignung zur Elternschaft. Hier beginnt dann das eigentliche Problem. Kinder können von Eltern viel ertragen auch solche Ausbrüche. Aber sie ertragen es ganz schlecht, wenn sie mit Eltern umgehen müssen, die in Selbstzweifeln und Selbstanklagen stecken. Sie wollen nämlich starke und mutige Eltern. Keine Unfehlbaren. Damit möchte ich freilich Kindesmisshandlung nicht verharmlosen und auch nicht zu Gewalt aufrufen. Aber ich möchte, dass wir alle lernen, auch uns selber so zu lieben, wie wir sind.  

Wenn dir eine solche Bindungs-Umkehr in Bezug auf die Kinder noch nicht passiert ist, so bestimmt umgekehrt. Kinder können auch in diese Situation kommen. Dann hassen sie ihre Eltern, schreien sie an und haben Lust sie zu verletzen, manchmal in der Mehrdeutigkeit dieses Wortes. 

Mindestens 20% der Beratungsanfragen, die ich von Eltern bekomme wurzeln in solchen Erfahrungen. Was tun, wenn mein Dreijähriger mich übel beschimpft, mich schlägt oder anspuckt? Sobald man das Phänomen der Bindungs-Umkehr aufgenommen hat, verlieren solche Ereignisse etwas von ihrem Schrecken. 

Bindungs-Umkehr ist etwas Normales, ziemlich Verbreitetes. Sogar in der Tierwelt kommt es vor. Das wissen alle, die heimgekehrt vom Urlaub, von ihrer Katze über Tage ignoriert werden. 

Im Buch “Lernen UND Reifen im Vertrauen” beschreibe ich anhand eines Ehepaars, wie ganz normale Menschen reagieren können. Vielleicht geht es dir wie den meisten: Du schüttelst den Kopf und weisst gleichzeitig: Das könnte mir auch passieren. 

…. Stellen Sie sich eine Frau vor, die eben dabei ist, den Tisch für den Eheabend zu decken. In fünfzehn Minuten erwartet sie ihren Mann. Sie stellt sich schon vor, wie er hereinkommt, sie umarmt, ihr dankt für den schön gedeckten Tisch, wie er dann den Wein entkorkt, wie sie zusammen das Essen geniessen und ihre Liebe feiern. Nun ist es bereits fünf Minuten über die Zeit. Noch hat sich nichts verändert. Nach wie vor freut sie sich auf die Umarmung, auch nach zehn Minuten noch. Als er dann nach zwanzig Minuten endlich kommt, sieht sie seine vom Radwechsel schmutzigen Hände nicht, auch nicht das Taschentuch, das um den blutenden Finger gewickelt ist. Ihr Herz ist zu. Als ihr Mann sie in die Arme nehmen will, ist sie steif wie ein Brett. Ihre Sehnsucht und Liebe ist wie weggeblasen. Was ist passiert? Ihr Herz hat eine Notabschaltung vorgenommen. Das lange Warten war zu viel für sie, die Frustration zu gross, und plötzlich hat sich ihr ganzes Bindungsverhalten ins Gegenteil verkehrt. Hatte sie noch vor Minuten den Moment herbeigesehnt, wo er sie fragte: «Möchtest du noch ein Glas Wein?», wäre sie jetzt imstande zu sagen: «Nein, Wasser!» Schauen wir, was weiter passiert. In ihm äussert sich ein ähnliches Phänomen. Er hat sich nach dem Radwechsel so darauf gefreut, dass seine Frau sagt: «Oh, ich habe mir schon Sorgen gemacht. Hast du dir wehgetan?» Er hatte sich vorgestellt, wie sie seinen Finger liebevoll verbinden würde und sie dann den Abend zusammen geniessen würden – und nun das!! Und wie jetzt das «Oh, hast du dir wehgetan? Soll ich dich verbinden?» kommt, hört er sich sagen: «Kein Problem, das kann ich schon selber!» Er geht ins Bad und wäscht sich umständlich. In der Zwischenzeit ist die besorgte Herzlichkeit der Frau vielleicht bereits wieder der Bindungs-Umkehr gewichen, und sie sagt gekränkt vor sich hin: «Meine Güte, jetzt ist er auch noch eingeschnappt. Ich konnte doch nicht ahnen, dass er eine Panne hatte. Man darf sich doch mal irren, wenn ich so wäre...» Und als der Ehemann – mittlerweile einsichtig und versöhnt – aus dem Badezimmer kommt und die Sache mit einer herzlichen Umarmung beenden will, findet er womöglich seine Frau erneut steif und ablehnend vor. Den beiden ist zu wünschen, dass sich bald einmal alles in einem Lachen auflöst. So funktionieren wir Menschen. So schützen wir uns vor zu grosser Bindungsfrustration. Je tiefer die Bindung ist, desto verletzender erleben wir Enttäuschung oder Zurückweisung und desto schroffer wird die Bindungsumkehr sein.

Nicht immer, wenn ein Kind frech und dominant ist, ist es in der Bindungsumkehr - so wenig wie du selber. Oft stimmt einfach die Hierarchie nicht und das Kind ist wütend, weil jemand oder etwas seinen Plänen im Wege steht. Ich hoffe, diese kleine Geschichte hat dir die Augen für diesen Unterschied fühlbar gemacht. Freilich, es gibt Kinder, die häufiger in diesen Zustand geraten. Für uns alle gilt. Was wir dann brauchen, sind weder Belehrungen noch Vorwürfe, sondern einfach Menschen, die uns aushalten und an uns festhalten. Wende dich an unsere Hotline, wenn du denkst, dass du darin Hilfe brauchst.

 

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Auch dieses Mal haben wir über das Thema des Monats einen Podcast aufgenommen. Hier findest du den Podcast mit Heinz Etter und Claudia Feierabend.

 

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Refresher 21-02 «Gibt es ein Recht auf Pflichten?»

Gibt es ein Recht auf Pflichten?

Es ist eine wunderbare Sache, dass es Kinderrechte gibt, wenngleich das in vielen Ländern noch nicht so bekannt zu sein scheint. Die Kinderrechte sind in unserem Land unbestritten. Niemand würde sich wünschen Kinderarbeit wieder einzuführen. Dennoch scheint es mir manchmal, als hätte man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. 

Im Buch “Erziehen im Vertrauen” gibt es schon seit der ersten Auflage ein Kapitel: “Die gleichwürdige Gemeinschaft”, das in den Jahren seit dem Erscheinen eher noch an Brisanz gewonnen hat: Viele Kinder in unserem Land wachsen auf, werden erwachsen oder mindestens volljährig, ohne dass sie je das Gefühl gehabt hätten, einen substanziellen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten. Viele sind dazu verdammt, eine Art Gast-Dasein zu fristen. Ich nehme nicht an, dass solche jungen Menschen sich bewusst sind, dass ihnen etwas fehlt - im Gegenteil, die meisten wären vielleicht sogar empört, wenn sie darauf angesprochen würden. Es geht darum, dass Kinder nicht nur Rechte brauchen, sondern auch die Gelegenheit, sich nützlich zu machen, einen wirklichen Impact zu haben.

“Wir gehen in die Schule, das ist unsere Arbeit” habe ich auch schon gehört. Ich denke, Kinder spüren, dass das nur die halbe Wahrheit ist. 

Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl, als ich zum ersten Mal einen Traktor fahren durfte. Endlich konnte ich mit den Füssen das Gaspedal erreichen und hatte gleichzeitig den Kopf über dem Lenkrad. Ich schwelgte in der Erkenntnis, dass ich jetzt eine erwachsene Person ersetzte, die stattdessen hinten Heu auf den Wagen lud oder den Rechen zog. Es war ein so erhebendes Gefühl, ein richtiger Arbeiter zu sein. Später erlebte ich Ähnliches, als mir der Grossvater das Melken beibrachte, obwohl wegen der Melkmaschinen nur noch das Anmelken nötig war, dazu aber taugten meine kleinen Hände wunderbar. Im eigenen Haushalt litt ich unter der Konkurrenz meiner grösseren Geschwister, die alle Arbeiten im Haushalt übernahmen, die von Wert waren und mir nur noch jene Arbeiten liessen, die mir minderwertig vorkamen: Sie lasen Äpfel ab, ich -auf. Konnte das eine erfüllende Tätigkeit sein? Die Grossen pflanzten - ich jätete. Diese missliche Lage - in unheiliger Allianz mit meiner Bequemlichkeit - hinterliess in mir ein Gefühl von Minderwert, das durch gute Schulleistungen nur zum kleinen Teil aufgehoben wurde.Darüber hinaus lernte ich auch vieles nicht, traute mir immer weniger zu, sodass ich erwachsen werden musste um wirklich zu glauben, dass ich nicht zwei linke Hände habe. Noch heute aber muss ich mir immer gut zureden, wenn es darum geht praktische Arbeiten anzupacken. 

Also: Gib deinen Kindern die Chance nützlich zu sein. Spanne sie ein, auch wenn deren Bequemlichkeit manchmal dagegen spricht und du manchmal schneller wärest ohne ihre Hilfe. Es lohnt sich. Im Kapitel “Die gleichwürdige Gemeinschaft” findest du hilfreiche Gedanken zum Thema. 

Ich lade dich ein, im Podcast das Interview mit Claudia Feierabend zu hören, die nicht nur eine tüchtige Sekretärin ist, sondern auch engagiert im Team mitarbeitet.

 

Hier gehts zum Podcast. 

 

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Auch dieses Mal haben wir über das Thema des Monats einen Podcast aufgenommen. Hier findest du den Podcast mit Heinz Etter.

 

 

 

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Refresher 21-01 «Gute Gewohnheiten - wie und wann bringen wir sie den Kindern bei?»

Gute Gewohnheiten - wie und wann bringen wir sie den Kindern bei?

Wenn dein 12-Jähriger beim Essen schmatzt, wenn seine Hand in die Schüssel greift oder beim Essen unter dem Tisch bleibt, wenn seine Schuhe überall herumliegen liegen, wenn er das Licht im WC brennen lässt, das dann seine unübersehbaren Spuren beleuchtet usw., dann hast du zwei Möglichkeiten: Entweder du findest dich damit ab und denkst zu Recht, dass man ihm das früher hätte beibringen sollen. Oder aber und das ist leider der häufigere Fall: du kritisierst ihn dauernd - ohne Wirkung - und vergiftest so die Beziehung. 

Es gibt indes eine dritte Möglichkeit, die Join-up Intervention, aber die ist heute nicht das Thema. Wenn du Vertrauenspädagogik noch nicht kennst, dann empfehle ich dir die erste Reaktion. Vielleicht hilft es deinem Sprössling bei den Tischgewohnheiten oder auch bei anderen Dingen, wenn irgendwann ein hübsches Mädchen bei seinem Verhalten die Augenbrauen hochzieht oder gar den Kopf schüttelt. Mein Bruder hat aus ähnlichen Gründen mit über sechzig mit dem Rauchen aufgehört. Du siehst, es gibt auch für jene Hoffnung, die als Kleinkinder nicht erzogen wurden... 

Viele Eltern, die einen beziehungsorientierten Erziehungsstil leben wollen, verpassen es, ihren Kindern gute Gewohnheiten beizubringen, vielleicht deshalb, weil sie die Nörgelei ihrer Mutter noch schmerzlich im Kopf haben. Bei Kleinkindern wäre es indes so einfach ihnen eine gute Beziehung zu den vielen kleinen Dingen zu vermitteln, die das Zusammenleben schön machen. Kinder zu führen und dennoch eine Herzensbeziehung mit ihnen zu pflegen, ist das Credo der Vertrauenspädagogik. Freilich, es gibt Dinge, die man einem Kleinkind nicht beibringen kann und auch nicht soll. Wenn man es versucht, richtet man mitunter grossen Schaden an: Selbstbeherrschung zum Beispiel oder Gewaltlosigkeit. Diese wunderbaren Eigenschaften gehören nicht zum Portfolio von Kleinkindern bis etwa sieben Jahren. Reifere Kinder und wir Erwachsenen tun uns ja manchmal schwer genug damit. 

Dennoch gibt es zahllose Dinge, die Kleinkinder gerne und ohne Leiden lernen können, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Davon handelt der Abschnitt aus dem Buch “Erziehen im Vertrauen”, das letztes Jahr in der siebten, aktualisierten Auflage herausgekommen ist. 

 

Abschnitt 4.3    Gute Gewohnheiten

Denken Sie daran, dass Ihr Kind seine Aufmerksamkeit nicht teilen kann. Alle wichtigen guten Gewohnheiten gilt es deshalb zu automatisieren. Sie können nicht davon ausgehen, dass Ihr Kind vom Kindergarten heimkommt, voller Geschichten, die es Ihnen erzählen will, und dann auch noch daran denkt, seine Schuhe an den richtigen Platz zu stellen. Entweder denkt es an die Geschichten oder an die Schuhe. Aber es gibt einen Weg: Wenn das Versorgen der Schuhe eben keine Aufmerksamkeit braucht, weil es automatisiert ist. Genauso, wie Sie Autofahren können und gleichzeitig mit dem Beifahrer ein Gespräch führen können.

Ohne die unzähligen Dinge, die wir automatisiert haben, wäre unser Leben sehr kompliziert.

Wie aber automatisiert man solche guten Gewohnheiten? Sagen Sie das mit den Schuhen, mit dem Licht im WC, mit dem Spülen usw. solange, bis es automatisiert ist. Bringen Sie Ihrem Kind früh Dinge bei, die das Zusammenleben erleichtern. Entscheidend dabei ist es, dass Sie dabei den Druck nicht erhöhen. So heisst es dann am Montag in freundlichem Ton: Versorge deine Schuhe. Am Dienstag dasselbe, am Mittwoch vielleicht: „Schau mal, deine Schuhe sind noch nicht zuhause.» Am Donnerstag: „Ich habe für dich deine Schuhe versorgt. Sie lagen ganz verloren im Gang.» usw. All das beiläufig und freundlich – so lange, bis es zur Gewohnheit geworden ist. Ihr Kind wird dann schnell selber zum Anwalt dieser Sache: „Mami, schau, Papas Schuhe sind nicht zuhause. Soll ich sie versorgen?“

Rechnen Sie damit, dass es eine Weile dauert. Rechnen Sie damit, dass Ihr Kind nicht immer gehorsam ist. Machen Sie sich nicht von seinem Gehorsam abhängig. Bleiben Sie locker, wenn das Kind seine eigenen Pläne hat und sich verzweifelt wehrt, Ihren Anweisungen zu folgen. Manchmal müssen Sie sich durchsetzen, manchmal können Sie aber auch darüber hinweggehen. Vergessen Sie es nicht: Nicht Sie brauchen das Wohlwollen Ihres Kindes, sondern umgekehrt. Kinder spüren es, wenn Eltern von ihrem guten Feedback abhängig sind. Es verwirrt sie. Vor allem haben sie ein tief verwurzeltes Verlangen, sich Ihnen als Familie anzupassen und einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Es erfüllt sie, auch dann, wenn sie sich in der aktuellen Situation dagegen auflehnen. Sie können ja nicht voraussehen, wie erfüllend es ist, wenn man fertig geweint und die Frustration überwunden hat.

Gute Gewohnheiten so zu vermitteln, ist nicht nur einfacher und nachhaltiger, sondern es bewahrt unsere Kinder davor, aus den falschen Motiven zu handeln. Bitte vergleichen Sie die folgenden zwei Szenen:

  1.     Stellen Sie sich ein Kind vor, das auf den Tisch zugeht und plötzlich Druck verspürt. Es merkt: Oh, ich habe die Hände nicht gewaschen, jetzt kommt dann gleich die kritische Frage der Mutter. Aus Gründen, die es selber nicht kennt, wartet es, bis Mama es sagt, es gibt dann kurz eine negative Rückmeldung: «Sie sind gar nicht schmutzig!» «Doch, man sieht es einfach nicht…» Schliesslich wird das Kind seine Hände waschen. Alles geht seinen Gang.

Oder aber:

  1.     Das gleiche Kind geht zum Lavabo, als die Mutter zum Essen ruft. Es fühlt sich weder unter Druck noch schlecht. Es nimmt kaum wahr, was es tut. Seine Aufmerksamkeit, die es nicht auf zwei Dinge richten kann, ist aufs Essen gerichtet. Die richtigen Magensäfte werden vorbereitet. Der Speichelfluss nimmt zu und mit ihm die Vorfreude aufs Essen.

Es gibt noch eine dritte Variante:

  1.     Das Kind geht auf den Tisch zu und fühlt plötzlich einen gewissen Druck, der dann abklingt, wenn es zum Lavabo geht und die Hände wäscht.

Als Aussenstehende haben wir keine Möglichkeit, den zweiten und den dritten Fall zu unterscheiden. Von aussen sieht es gleich aus und doch – was für ein Unterschied! Er ist viel grösser als zwischen dem ersten und dem dritten Fall.

Diesen Unterschied im Leben gibt es für Kinder an unzähligen Fronten. Ob es auf dem WC an sein Spiel denken darf und nicht sorgenvoll ans Spülen denken muss, um es ja nicht zu vergessen, prägt sein Lebensgefühl. Einmal wird es Vertrauen fassen in seine eigenen Fähigkeiten, ein andermal wird es sorgenvoll unterwegs sein, entweder dauernd bemüht, Kritik zu entgehen, oder aber gepanzert und bemüht, Beeinflussungen zu übersehen und so die eigene Freiheit zu schützen.

Wenn Sie die Kinder nach dem Konzept der Guten Gewohnheiten führen, wird es wahrscheinlich sehr schnell zurück ins Join-up finden. Wenn nicht, dann haben Sie vielleicht ein Kind mit besonderen Bedürfnissen. Dann würde ich Ihnen empfehlen, sich beraten zu lassen. Vertrauenspädagogik ist für alle Kinder hilfreich, aber sie sieht manchmal je nach Kind etwas anders aus. Insbesondere für jene Kinder, denen wir ADS oder ADHS zusprechen. Sie sehen manchmal die Welt ganz anders als wir selber. Es wäre vermessen, dieses Feld hier darstellen zu wollen. Was Sie aber wissen müssen: Ein vertrauenspädagogischer Umgang mit ihnen wird ihr Verhalten in jedem Fall positiv beeinflussen, vielleicht aber nicht so weitgehend, wie Sie es sich wünschen. Bei allem, was wir bisher betrachtet haben, möchte ich hier etwas nochmals ins helle Licht rücken:

Es fällt uns sehr schwer, Dinge zu wollen, zu denen wir gezwungen wurden. Das gilt nicht nur bei der Sexualität und den Hausaufgaben.

Dieses Wollen aber möchte ich zum Schluss dieses Abschnittes ins Zentrum stellen.

 

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Refresher 20-11 «Kleinkinder sind anders»

Hast du schon einmal versucht aus unreifen Äpfeln Apfelmus zu machen? Ich schon, und es geht. Man kann unreife Äpfel genauso bearbeiten wie reife. Alle Prozesse sind ähnlich. Das Problem ist einzig, dass am Schluss das Apfelmus nicht so schmeckt wie es sollte. Meines war sogar leicht klebrig. 

Ich hätte auf meine Frau hören sollen, die mir sagte, die Äpfel seien noch zu wenig reif. Ich dachte, es gehe schon, wenn man ein bisschen Xylit dazugebe. 

Wenn man mit unreifen Äpfeln Dinge tut, die man nur mit reifen tun sollte, dann ist das ein kleines Problem. Anders ist es, wenn wir mit unreifen Kindern so umgehen, wie es für reife Kinder angemessen ist - und umgekehrt. Das passiert uns in unserer Kultur in grosser Regelmässigkeit. 

Den Begriff Reifung für Menschen zu gebrauchen ist nicht üblich. Das ist schade, denn auch Menschen reifen. Unreife Kinder - Kleinkinder bis etwa zu jenem Alter, in dem früher die Schule begann - fühlen sich besser, wenn sie mit älteren oder jüngeren Kindern spielen können. Sie haben auch sonst Eigenschaften, die man kennen sollte, um ihnen gerecht zu werden. Der Start ins Leben ist für einen Menschen entscheidend. Er wirkt sich auf das ganze Leben aus - und sogar aufs Sterben. Ihren besonderen Eigenschaften und Bedürfnissen gilt unser Buch “Vertrauen von Anfang an”, das du in unserem Shop findest. So quasi als Vorgeschmack habe ich in der 7. Auflage des Buches “Erziehen im Vertrauen” den Abschnitt “Kleinkinder sind anders”.aufgenommen:

 

3.7  Kleinkinder sind anders

Das Join-up-Konzept ist eine Art, miteinander umzugehen, die im Grunde sämtliche Beziehungen umfasst. Es ist hilfreich, wenn ein Mitarbeiter mit seinem Chef, ein Schüler mit dem Lehrer und die Bewohnerin mit dem Pflegepersonal im Join-up ist. Die Grundregeln der Führung können für alle leicht angepasst werden.

Nur für eine Personengruppe ist es nicht so einfach: für die Kleinkinder, für Kinder also zwischen null und fünf bis sieben Jahren. Gut, dass sie bereits im Join-up zur Welt kommen. Wenn wir sie von innen her verstehen, dann werden sie im Normalfall im Join-up bleiben, was nicht heissen will, dass sie sich immer kooperativ verhalten. Da kann es vorkommen, dass Kinder erbittert um ein Spielzeug streiten, dass sie einander beissen und kratzen, sich Anordnungen widersetzen und dergleichen. Meist liegt das dann nicht an diesen Kindern, sondern an den widrigen Umständen, in die sie geraten sind. Sie haben nämlich einige ganz besondere Eigenschaften, die sie für bestimmte Situationen gänzlich ungeeignet machen:

Sie haben ein Gehirn, das man – zumindest im Jahre 2020 – gut mit einem Smartphone vergleichen kann. Ein solches Gerät kann fast alles, was ein Laptop kann, und sogar noch einiges dazu, wie z. B. telefonieren und navigieren. Aber obwohl viele Prozesse im Hintergrund gleichzeitig laufen, ist auf dem Display nur einer zu sehen, während der Bildschirm des Laptops verschiedene Prozesse gleichzeitig darstellen kann. Wenn ich also den Smartphone-Fahrplan studiere, kann ich den Bildschirm nicht mit meiner Nachrichten-App teilen, um meiner Frau die Ankunftszeit mitzuteilen. Ich muss den Fahrplan schliessen; dann erst kann es weitergehen. So ungefähr funktioniert das Bewusstsein eines Kleinkindes. Es kann nur einen Gedankengang gleichzeitig bearbeiten. Sie kennen deshalb auch keine inneren Konflikte: Sie werden nie ein vierjähriges Kind hören, das sagt: «Ich bin hin- und hergerissen. Ich möchte mit Mami einkaufen gehen, aber auch hierbleiben und Lego spielen.» Sie wollen entweder das eine oder das andere. Kleine Kinder können ihre Gefühle nicht mischen wie ältere Kinder und wir Erwachsenen. Wir können mehrere Gefühle gleichzeitig wahrnehmen. Das heisst, dass wenn wir jemanden sehen, der uns unsympathisch ist, wir ihn gleichwohl grüssen können, einfach, weil wir neben der Antipathie auch die Würde des Gegenübers im Auge haben können. Wenn uns jemand wütend macht, können wir gleichzeitig wahrnehmen, dass wir einander auch gernhaben. Daraus ergibt sich ein anderes Verhalten als bei kleinen Kindern. Diese sind manchmal sehr direkt...

Kleine Kinder erleben ihre Gefühle nacheinander, nicht gleichzeitig. Ihre Gefühle gleichen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind rein und ungemildert: ihr Zorn, ihre Trauer, ihre Fürsorglichkeit und ihr Verlangen. Kleinkinder können sich ohne weiteres um acht Uhr liebkosen und um fünf nach acht erbittert streiten, um sich um zehn nach acht wieder zu vertragen.

 

Wenn sie lieben, lieben sie ganz, wenn sie zornig sind, sind sie auch das ganz.

Kleinkinder leben im Augenblick. Wenn wir mit ihnen am Mittag Abmachungen treffen, haben diese am Abend keine Relevanz mehr. «Du hast heute Mittag gesagt, dass du freiwillig früh zu Bett gehst, wenn du keinen Mittagschlaf machen musst.» Ein solcher Satz wird bei einem Dreijährigen Unverständnis und Verzweiflung auslösen, aber kaum ein «Aha, stimmt, das habe ich versprochen.»

Kleinkinder sind egozentrisch – nicht, weil das ein übler Charakterzug wäre, sondern einfach deshalb, weil ihr Gehirn zu einer Zeit nur einen Standpunkt, eine Perspektive verarbeiten kann. Kleinkinder sind deshalb nicht empathisch. Sie sind zwar mitunter sehr fürsorglich und würden für den schreienden Bruder alles tun und geben, aber sie würden dabei die eigenen Bedürfnisse aus den Augen verlieren. Beim Telefonieren mit einem Kleinkind kommt es regelmässig zu lustigen Szenen wie dieser: «Schau, Bipapi, das habe ich heute gezeichnet.» Das Kind zeigt begeistert auf seine Zeichnung und denkt nicht daran, dass die Person am anderen Ende diese nicht sehen kann. Dabei weiss ein dreijähriges das eigentlich wohl. Aber es kann einfach nicht beide Sichten der Welt, seine und die der anderen, gleichzeitig im Kopf haben.

Kleinkinder können aus dem gleichen Grund auch nicht tricksen bzw. andere täuschen. Es ist ein Akt der Reifung, wenn sie mit solchen Manövern mit vier oder fünf Jahren anfangen. Erwachsene durchschauen diese meist sehr schnell. Es ist für Kleinkinder sogar sehr schwierig bis unmöglich, ihre Spielkarten so in die Hand zu nehmen, dass andere sie nicht sehen können. Ironie und Täuschungsmanöver setzen ein Mindestmass an Einfühlungsvermögen voraus. Umso tragischer ist es, wenn Eltern ein solches sogar ihren Babys unterstellen.

Zum Glück starten sie im Join-up und lassen sich von einfühlsamen Eltern auch einigermassen führen, solange diese nicht auf die Idee kommen, Kleinkinder kontrollieren zu wollen. Sie sind glücklicherweise auch klein und leicht genug, dass man sie im Bedarfsfall mit einem entschuldigenden «Oh, tut mir leid, aber jetzt muss ich dich ins Auto tragen, auch wenn dir das nicht passt.» unter den Arm nehmen kann.

 

Kleinkinder sind oft nur deshalb tragbar, weil sie „tragbar“ sind.

Wie aber soll man denn solche Kinder führen? Viele Eltern tun das, indem sie Kleinkinder einschüchtern bzw. alarmieren. Sie schlagen ihnen auf die Finger, wenn sie sich der Herdplatte nähern oder rufen ganz laut «Nein!», wenn das Kind wieder einmal den Stop-Knopf auf der Fernsteuerung drücken will – obwohl die Tagesschau ja tatsächlich eine Störung darstellt… Das funktioniert meist nur so lange, als die Drohung aufrecht ist. Vielleicht bleibt die Erfahrung nach den Regeln der Konditionierung auch haften. Oft aber pflanzen wir ungewollt den Gegenwillen ins kindliche Herz. Was wir in drohendem Ton – als Gegner gewissermassen – verbieten, wird im Kopf des Kindes als «erstrebenswert, aber gefährlich» notiert. Sie haben das sicher schon selber beobachtet, wie ein drohendes «Fasse ja diese Schere nicht an!» eine Kinderhand fast magisch zur Schere hinzieht und wie manchmal selbst eine Warnung nichts mehr nützt.

Hilfreicher ist es, wenn wir – für das Kind spürbar – auf seiner Seite bleiben und mit seinen positiven Gefühlen arbeiten.

Das könnte sich dann etwa so anhören. «Uiuiui, diese Schere ist gefährlich. Schau einmal, wie die pikst. Die muss auf dem Tisch bleiben, sonst tut sie dir weh.» Was haben wir gemacht? Wir haben die Fürsorglichkeit des Kindes angesprochen. Fürsorglichkeit ist Kindern angeboren. Sie ist wie eine Art Vorwegnahme der späteren Möglichkeit, sich in andere einzufühlen. Man kann die Fürsorglichkeit auch gegenüber kostbaren Dingen wecken, wenngleich es manchmal doch sinnvoller ist, sie aus der Reichweite von Kindern zu entfernen.

Kleinkinder können schlecht mit Gleichaltrigen spielen, obwohl sie sich zu ihnen hingezogen fühlen. Sie sind dafür geschaffen, mit älteren oder jüngeren Geschwistern umzugehen. Erst mit etwa sieben Jahren entwickeln sie die Möglichkeit der Einfühlung und der Empathie, die für das Zusammenwirken mit anderen so wichtig ist. Es erstaunt deshalb nicht, dass vor der Einführung des Kindergarten-Obligatoriums die Einschulung ungefähr in diesem Alter erfolgte. Wir haben in unserer Zeit das Gefühl für diese notwendigen Reifungsprozesse verloren und leben in der seltsamen Vorstellung, dass es sich hier um Lernprozesse handelt. Und es stimmt – man kann Kleinkinder zum Zusammenwirken, zur Rücksichtnahme und zum Teilen erziehen, aber nur dadurch, dass sie sich viele Male falsch vorkommen und an sich selber zweifeln müssen. Sie haben diese Art der Gemeinschaft nicht im Gefühl – noch nicht, um genau zu sein. Kinder entwickeln diese Fähigkeit spontan, sobald sie empathisch sind, auch ohne die Einwirkung von Erwachsenen. Kleinkinder sind darauf angelegt, in Hierarchien zu leben, sich also entweder bei einem älteren Kind anzulehnen oder aber ein jüngeres Kind anzuleiten. Je mehr wir uns als Eltern bewusst sind, dass Kinder immer Hierarchien bilden, gerade auch im Rollenspiel, desto weniger werden wir uns wundern, wenn gleichaltrige Kleinkinder schnell in Konflikte geraten und Mühe haben, ihr Spielzeug zu teilen. Ich schliesse mit einem leicht abgeänderten Sprichwort:

 

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans dann sehr wohl.

 

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Refresher 20-10 «Wie lernen Kinder höflich zu sein?»

“Mama, hol mir ein Yoghurt!” Wie tönt das für dich? Komisch? Vielleicht auch nicht, vielleicht hast du dich daran gewöhnt, dass deine Kinder dir sagen, was du zu tun hast. Vielleicht wehrst du dich manchmal und sagst dann: “Hey, nicht in diesem Ton, bitte!”

Menschliche Gemeinschaft bilden Rangordnungen - genau gleich, wie es soziale Tiere tun. Schulklassen tun das, Familien, Vereinsvorstände - kurz, alle Gruppen, wo Menschen zusammenwirken. In Demokratien wählen wir Menschen an der Urne jene Leute, denen wir Einfluss auf unser Leben zugestehen bzw. auf das Leben unserer Mitmenschen... 

In unserer wichtigsten Gemeinschaft - in der Familie - ist die Rangordnung allerdings oft unklar oder sogar verkehrt, ohne dass das jemandem auffällt. 

Diesem Umstand habe ich in der siebten Auflage des Buches ein Kapitelchen gewidmet, hier der erste Abschnitt:

 

2.1 Das Join-up-Gitter

Wir alle spüren es sofort: Wenn sich ein Kind vor uns aufbaut und im Befehlston etwas einfordert, dann stimmt etwas nicht und wir fühlen uns berufen, das Kind in die Schranken zu weisen. Haben Sie sich auch schon darüber Gedanken gemacht, dass es genauso unangebracht ist, dass Sie sich als Mama oder Papa nicht getrauen, Ihrem Kind etwas zu befehlen? Wir Erwachsenen tun uns vielmehr ganz schwer mit Sätzen wie «Hole noch Mineralwasser aus dem Keller!» Wir sagen lieber: «Würdest du bitte Mineralwasser aus dem Keller holen?» Nachdem das eine höfliche Frage ist, sollten wir eigentlich bereit sein, ein Nein des Kindes zu akzeptieren. Diese Art der Formulierung gehört eigentlich zur Sprechweise jener, die sich unterordnen, weil sie sich bedürftig und abhängig fühlen wie jemand, der auf der Strasse nach dem Weg fragt. Niemand würde dort ja sagen: «Zeigen Sie mir den Weg zum Bahnhof!» Nein, wir würden uns ohne schlechte Gefühle unterordnen und darauf hoffen, dass wir im Gegenüber fürsorgliche Gefühle auslösen, die ihn dazu bringen, sich für uns einen Moment Zeit zu nehmen. Als Eltern benutzen wir diese Formulierung oft missbräuchlich, denn wir fragen in Wirklichkeit gar nicht, sondern wir wollen nur liebevoller befehlen, als es unsere Eltern und Lehrkräfte damals taten. Den wenigsten wird es bewusst sein, dass elterliche Unterordnung Kinder verwirrt, vor allem dann, wenn die Eltern frustriert auf ein Nein des Kindes reagieren, Vorwürfe machen oder gar drohen, wenn ein Kind eine höfliche Anfrage als solche wahrnimmt. Gerade kleine Kinder tun sich sehr schwer mit dem Interpretieren von verklausulierten Botschaften.

 

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Refresher 20-09 «Defensive Dominanz»

Wir haben uns im letzten Monat damit beschäftigt, wie gefährlich und schädlich es ist, die Liebe und Anhänglichkeit der Kinder dazu zu nutzen, sie gefügig zu machen. Du kennst vielleicht Sätze wie: “Jetzt kommst du schon wieder aus dem Zimmer, wenn du nochmals herauskommst….” Dabei kann ein Kind, das gesund ist und in Kontakt ist mit seinen Gefühlen, nur ganz schlecht einschlafen, wenn die Beziehung mit den Eltern nicht geklärt ist. So wird es irgendwann wieder aufstehen, um zu spüren, ob der Zorn der Eltern vorbei sei und die Stimmung wieder besser. Schön ist es, wenn Eltern das erkennen und nicht noch mehr Druck machen.

Manche Kinder entwickeln eine eigentliche Trennungsproblematik. Eine Verhaltensweise aus dieser Problematik heraus kennen wir alle: das Klammern. Wenn wir dann sagen: “Kannst du nicht einmal etwas für dich spielen…. dann wird sich das Problem dadurch eher verschärfen als lösen. Manchmal entwickeln Kinder ein Verhalten, dem ich im Buch einen kleinen Abschnitt gewidmet habe.

 

3.6 Defensive Dominanz

1 Defensive Dominanz - Leiterschaft, die aus der Angst kommt

Wenn Kinder zu oft mit einer Trennung konfrontiert werden – gleichgültig, ob sie real ist oder nur im Kopf des Kindes existiert –, reagieren sie auf eine typische Weise. Sie suchen zunächst die Nähe der Eltern bzw. der Bezugspersonen. Sie tun das so fordernd, so unersättlich, dass Eltern auf dieses Klammern meist mit Abwehr reagieren. Diese Zurückweisung freilich verstärkt das Trennungsgefühl. Ein Teufelskreis beginnt. Er endet nicht selten in einem Dominanzverhalten des Kindes. Irgendeine Instanz im Bindungsgehirn des Kindes sagt ihm: «Die anderen Menschen halten nicht an dir fest. Sie lassen dich im Stich. Sie wollen dich nicht. Es bleibt dir nichts, als selber die Führung zu übernehmen, sonst bist du verloren.» Die Folge ist eine Hierarchie-Umkehr, die so umfassend sein kann, dass Befehle der Eltern im Kind Frustration und Aggression auslösen und ebenso deren scheinbarer «Ungehorsam», wenn die Eltern nicht bereit sind zu tun, was das Kind fordert. Je mehr sich Eltern wehren, desto schlimmer kann es für das Kind werden. Wenn Sie bei ihrem Kind so etwas vermuten, lohnt es sich, Beratung in Anspruch zu nehmen. Ich deute hier nur an, welchen Weg ich mit meinen Klienten schon sehr oft gegangen bin (und greife dem nächsten Kapitel der Dringlichkeit wegen etwas vor):

Zunächst geht es darum, dem Kind mehr Nähe zu geben, als es verlangt.

«Das ist unmöglich!» rufen Eltern in der Regel an dieser Stelle aus. Aber meist finden wir einen Weg dahin. Vor allem geht es dann darum, schneller zu sein. Das Ziel muss es sein, dass die Eltern das Kind so lange und so intensiv nahe halten, dass dasselbe Bindungsgehirn den Umkehrschluss zieht und dem Kind sagt: Deine Eltern halten an dir fest. Sie wollen dich in ihrer Nähe haben, du bist bei ihnen willkommen. Sie sorgen dafür, dass du nicht verloren gehst. Ein solcher Prozess löst fast unglaubliche Veränderungen im Kind aus. Meist normalisieren sich Kinder vollständig. Aber der Aufwand sprengt den Rahmen der normalen elterlichen Betreuung deutlich. Es lohnt sich deshalb doppelt, Kinder nicht unnötig einer Trennung auszusetzen. Trennungsstrafen sind eine häufige Ursache und, weil sie oft regelmässig verhängt werden, die häufigste Ursache defensiver Dominanz. Klammern hingegen kann auch durch traumatische Ereignisse wie dem Verlust geliebter Personen oder Tiere ausgelöst werden. 

Soweit der Abschnitt aus dem Buch. 

Für uns als Erziehungspersonen gibt es übrigens ein ähnliches Phänomen. Auch wir können in den Zustand kommen, wo wir klammern, wo wir den kindlichen Gehorsam durchsetzen einfach deshalb, weil wir Angst haben sie könnten uns entgleiten. Dann ist es wichtig, dass wir uns der Frage stellen, ob es jetzt noch ums Kind geht oder um unsere eigene Not, der Angst, nicht mehr gebraucht, nicht mehr gefragt zu sein. Kinder reagieren meist sehr negativ auf diese Art Leiterschaft. Wenn wir sie zwingen sich freizustrampeln wird das allen Beteiligten wehtun. 

Es kann aber auch viel oberflächlicher sein: Wenn du dein Kind unter Druck setzt oder ihm etwas verbietest, einzig aus der Angst, bei Nachbarn und Freunden weniger angesehen zu sein oder gar kritisiert zu werden. Viele Eltern, Lehrkräfte und auch Trainer in Sportvereinen fürchten sich davor, wegen Missachtung der Aufsichtspflicht zur Rechenschaft gezogen zu werden, wenn etwas passiert. Wie schnell geraten wir da in eine Leiterschaft, die von der Angst für uns selber geprägt ist, anstatt aus der Sorge um das Wohl der uns Anvertrauten. Kinder brauchen das Risiko um ihre Grenzen auszuloten. Hindere sie deshalb nicht aus Angst vor der nachbarschaftlichen Kritik auf Bäume zu klettern, auf Mäuerchen zu balancieren oder durch Bäche zu waten oder auch weil die Angst deiner eigenen Mutter noch in dir steckt. In der Einstein-Sendung “Die Macht des Spielens” des Schweizer Fernsehens wird das eindrücklich dargestellt. 

Manchmal verbieten wir Dinge aber auch aus ehrlicher Rücksicht - dann zum Beispiel, wenn dein Kind die Idee hat morgens um sechs Klavier zu spielen, wenn andere schlafen. Von aussen sieht man oft nicht, was uns antreibt, dies oder jenes zu tun oder zu lassen. Lasst uns deshalb achtsam sein, dass es immer mehr die Liebe ist, die uns leitet. Die Liebe zu unseren Kindern, zu uns selbst - und auch zu unseren Nachbarn.

 

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Refresher 19-08 «Das ist nicht von mir!»

Ein solcher Satz heisst doch eigentlich: «Ich habe das nicht liegen gelassen, also muss ich es auch nicht auflesen. Wenn du mich aufforderst, es aufzuheben, dann heisst das ja wohl, dass du denkst, ich hätte das verschuldet.»

Diese Denkweise ist tief in uns verankert. Es gibt allerdings eine gewichtige Ausnahme: Mütter verbringen ein Grossteil ihrer Zeit damit zu, die Suppen anderer auszulöffeln. Was sie zusammensaugen oder -wischen, was sie waschen oder flicken ist ja meist nicht ihre «Saat», um das gleiche Prinzip im biblischen Bild zu zitieren: Das Prinzip von Saat und Ernte. Wenn wir dieses Prinzip hochhalten, dann müssen wir auch die Antwort dieses Kindes als die einzig richtige anerkennen. Jesus nat neben diesem Prinzip allerdings ein anderes eingeführt, das dem gesunden Menschenverstand vielleicht eher fremd ist. Johannes 4:37 spricht davon, dass die einen schneiden, was sie nicht gesät haben. Letztlich hat ja Jesus am Kreuz geerntet, was er nicht gesät hat. Insofern ist das Loyalitätsprinzip, das Füreinander-die-Suppe-Auslöffeln jenes Prinzip, das viel eher dem Evangelium entspricht. Freilich ist dieses Prinzip - wenn es verordnet ist - eher untauglich. Vielleicht könntest du diese beiden Prinzipien einmal in deiner Familie diskutieren. Was würde es bedeuten, wenn Mama sich auf das Prinzip von Saat und Ernte beriefe? Wo könnte man das Solidaritätsprinzip leben - so wie es für Mama normal ist?

 

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Livesendung vom 26. August 2019

 

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Refresher 19-07 «...weint mit den Weinenden!»

Stell dir einmal folgende Situation vor: Dein Kind kommt aus der Schule, knallt seinen Schulrucksack in die Ecke und schimpft: «Die Emma ist so verlogen und gemein. Alle Mädchen lädt sie zu ihrem Geburtstagsfest ein, nur mich nicht. Hinter meinem Rücken spricht sie schlecht über mich. Heute Nachmittag gehe ich nicht zur Schule. Es ist mir egal, wenn ich Ärger bekomme. Mit dieser Kuh will ich nichts mehr zu tun haben.»

Wurde dir auch schon einmal eine so geballte Ladung an Frust entgegengeschleudert? Oder wirst du im Alltag überraschend mit ähnlichen Gefühlsausbrüchen deiner Kinder konfrontiert? Dann gehen bei dir vielleicht alle inneren Alarmleuchten an und du fragst dich, wie du dein Kinder wieder beruhigen kannst. Vielleicht versuchst du es mit Strenge: «Jetzt reiss dich aber zusammen!» Oder vielleicht riskierst du es, deinem Kind eine andere Sicht schmackhaft zu machen: «Emma hat sicher nur vergessen, dich einzuladen.»

Natürlich gibt es Situationen, wo dein Kind eine andere Sicht, ein neues Ziel oder ganz praktische Hilfe braucht. Aber in den meisten Fällen würde ich dir raten, einen anderen Weg zu gehen: Versuche, das Herz deines Kindes zu spiegeln. Finde Worte für seinen Frust, seine Wut oder seine Angst. Lass zu, dass auch dein Gesicht diese Gefühle zeigt. Dein Kind wird sich verstanden fühlen und eure Bindung wird gestärkt. Du brauchst nicht zu schimpfen und zu korrigieren. Du und dein Kind, ihr bleibt gemeinsam auf der einen Seite, der Ärger auf der anderen. Und schliesslich sprichst du deinem Kind auch dein Vertrauen aus: Kinder sind meist viel kompetenter, als wir glauben.

 

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Refresher 19-06 «Gehorsam!?»

Wurdest du auch schon mit der Aussage oder gar dem Vorwurf konfrontiert, wir, die wir vertrauenspädagogisch erziehen, nähmen den Gehorsam unserer Kinder zu wenig ernst? Zugegeben, das mag in manchen Situationen von aussen so aussehen. Doch ist es auch wirklich so? Eine Trainerin hat mir darauf eine spannende Antwort gegeben: «Ich gebe mich doch nicht nur mit dem Gehorsam zufrieden. ICH MÖCHTE MEHR! Ich möchte, dass meine Kinder mir folgen, weil sie es mir recht machen WOLLEN, also aus der Beziehung heraus dazu bewegt werden!»
Und in der Tat, Gehorsam ist relativ leicht zu erreichen: mit etwas Druck, mit der Androhung von Strafen... Dann wird das Kind aus dem Motiv der Angst vor der Strafe heraus tun, was wir sagen. Die einen oder anderen von uns kennen dies bestimmt noch aus der eigenen Kindheit. Auf der anderen Seite der Angst steht die Liebe. Und eine Beziehung, die von Liebe, Annahme und Vertrauen geprägt ist, ist es, was wir wollen. Und wir spüren es, das geht so viel tiefer! Da werden wir als Eltern herausgefordert, aber gleichzeitig auch freigesetzt. Es ist so viel schöner und fühlt sich viel natürlicher und besser an, wenn ich darauf vertraue, dass mein Kind es mir recht machen möchte und dass es sein Bestes gibt. So viel besser auf jeden Fall, als das Agieren mit Druck und Strafe (Zuckerbrot und Peitsche).

 

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Refresher 19-05 «Monster unter dem Bett»

Kennst du den Satz «Geh auf dein Zimmer, bis du weisst, wie man sich hier benimmt»? Hast du dieses oder ein ähnliches Ultimatum auch schon benutzt und festgestellt, dass es sogar funktioniert? Es ist so, solche und andere Ultimaten, also angedrohte Trennung, funktionieren ganz oft. Wenn das gleiche Kind dann abends nicht alleine im Zimmer schlafen möchte, weil es einen Drachen unter dem Bett vermutet, kommen wir kaum auf die Idee, dass dieser vermutete Drache einen Zusammenhang mit der Situation des Ultimatums bzw. der Trennung haben könnte.
Und doch ist es so: Mit solchen Sätzen alarmieren wir unser Kind. Wir senden ihm die Botschaft «ich lasse dich alleine» oder «ich schicke dich von mir weg» mit. Unterschwellig sagen wir damit auch, dass das Kind nur in meiner Nähe willkommen ist, wenn es sich entsprechend benimmt. Natürlich tut das Kind in dem Moment alles, um die angedrohte Trennung zu verhindern und um die Nähe wieder herzustellen. Deshalb funktioniert es ja auch und das Kind ist plötzlich ganz brav. Der (Trennungs-)Alarm aber bleibt… Meistens ist das Kind gar nicht in der Lage, sich dessen bewusst zu sein oder gar darüber zu sprechen. Das Gehirn sucht sich dann einen anderen Grund für den Alarm, einen, über den man sprechen kann, und schon sind wir beim Monster unter dem Bett…
Wenn wir unserem Kind diesen Stress ersparen wollen, tun wir gut daran, es und seine Bedürfnisse zu verstehen und es mit klarer Kommunikation zu führen, statt mit Ultimaten unter Druck zu setzen. 

 

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Livesendung vom 27. Mai 2019

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Refresher 19-04 «Laufgitter?!»

Die Zeit zwischen 18 und 24 Monaten ist eine Zeit, die das Leben eines Menschen stark beeinflusst. Wenn du heute oft an dir zweifelst, wenn du dich schnell abgewiesen und unverstanden fühlst, dann könnte es damit zusammenhängen, dass du gerade in dieser Zeit viel Kritik eingefahren hast. Nimm es deinen Eltern nicht übel. Ich habe es heute wieder einmal gespürt, wie es ist, wenn ein Kind dieses Alters mit der Gabel auf den Tisch einsticht, wenn es diese Schachtel leert und jene irgendwohin bringt, wo man sie nicht mehr findet, wenn es den Smoothie auf den Tisch kippt… Was wir in die Höhe tun, wird erreichbar, weil es jetzt den kleinen Schemel vom Badezimmer überallhin bringt. Seine Urteilskraft und seine Möglichkeiten entwickeln sich nicht parallel, definitiv nicht!

Ich verstehe deshalb meine Eltern, die uns in diesem Alter in ein Laufgitter sperrten. Laufgitter sind aus der Mode gekommen und Eltern, die ihren Kinder «Käfighaltung» zumuten, müssen sich einiges anhören. Ich möchte dir einfach Folgendes sagen: Nur jene sollten aufs Laufgitter verzichten, die ihrem Knirps nachher nicht dauernd die Pläne vermiesen, ihn nicht dauernd kritisieren und beschimpfen. Wer das nicht schafft, steckt sein Kind lieber ins Laufgitter. Kinder können sich gut anpassen an die Widrigkeiten des Lebens, aber ans dauernde Infragestellen, an die unablässige Botschaft: «Was machst du denn jetzt schon wieder?!», daran kann sich kein Kind gewöhnen und es soll sich auch nicht daran gewöhnen. Unsere eigenen Kinder haben die Sache mit dem Laufgitter umgekehrt: Die grossen Kinder spielten im «Gschpeer», unzugänglich für die Kleinen, und auch die Erwachsenen sparten sich ihre Freiräume aus.

Wie auch immer du es anstellst: Schütze dein Kind vor Dauerkritik. Gib ihm das Gefühl, richtig zu sein. Verstehe es, wenn es frustriert ist über seine Begrenzungen, aber erspare ihm dein Kopfschütteln und deinen Unmut über seine Taten und Pläne.

 

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Refresher 19-03 «AD(H)S - ein Talentsignal?!»

Weisst du, wie sich eine Blockade anfühlt? Wie es einem zumute ist, wenn man keinen Zugang zum Sprechen mehr hat, keinen Zugang zum Gedächtnis? Eine leichte Version davon kennen wir alle, wenn wir uns an wichtige Wörter oder Namen nicht erinnern können. Oder wenn wir vergessen haben, was wir eben noch ganz Wichtiges sagen wollten. Oft mündet es in eine peinliche Situation, wo wir froh sind, wenn wir mit vertrauten Menschen zusammen sind oder mindestens mit solchen, die Verständnis zeigen. Wie fühlt sich das für Kinder an? Was macht es mit ihnen? Eine Gruppe von Kindern - auch wenn sie dereinst erwachsen sind - erlebt das regelmässig beim Lesen und Schreiben: Die Legastheniker. D. war so ein Kind. Obwohl es dreissig Jahre her ist, sehe ich ihn klar vor mir. Seine Schrift sah aus wie ein kleinkindliches Gekritzel und beim Lesen steckte er oft bei vermeintlich einfachen Wörtern fest. Er vermied es folglich, zu lesen und zu schreiben, war aber sonst ein aufgeweckter Schüler. Eine Kollegin, selber Davis-Therapeutin, gab mir dessen Buch, das mich faszinierte: «Legasthenie als Talentsignal». Ich kannte Legasthenie vor allem aus meiner Primarlehrerzeit. Spezielle Therapeutinnen versuchten zu helfen - wie bei D. oft mit wenig Erfolg. Das Buch weckte neue Hoffnung für D. Tatsächlich: Nach einer einzigen Therapiewoche hatte sich seine Schrift sowie seine Lesefertigkeit spektakulär verbessert. Er war gewissermassen geheilt - mehr als das. Er hatte seine besondere Fähigkeit der Desorientierung, wie Davis sie nennt, erhalten, hatte nun aber die Kontrolle darüber erlangt. Ein Raumorientierungsgefühl, das jedem von uns Normalos überlegen ist.
Kürzlich habe ich Ronald Davis’ neues Buch «ADHS und Dyskalkulie als Talentsignal» gelesen - gerade rechtzeitig auf unsere Frühlingstagung hin, wo ich darüber sprechen will, wie unser Erziehungsverhalten mit einer gewissen Regelmässigkeit Perfektionisten und Narzissten hervorbringt. Dies umso mehr bei jenen Kindern, die uns Mühe machen. Wo aber liegt das besondere Talent der AD(H)S-Menschen? Multitasking!

 

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Livesendung vom 25. März 2019

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Refresher 19-02 «Mein Kind - ein Aussenseiter?!»

«Alle spielen das - ich bin sonst ein Aussenseiter!» Mit dieser Argumentation bist du vielleicht auch schon konfrontiert gewesen. Vielleicht waren es nicht PC-Spiele, sondern die Marken der Kleider, die die Kinder bewahren sollten, an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. 
Zwei Dinge gehen mir dabei durch den Kopf: 
Es wäre schön, wenn unsere Kinder die innere Kraft hätten, diesem Konformitätsdruck zu begegnen. Wie aber finden sie diese Kraft? Indem wir ihnen das Heldentum als Pflicht auferlegen? «Wir als Christen tun das nicht, bekenne dich zu unseren Werten.» Ich denke, es wäre ehrlicher zu sagen: «Wir als Eltern wollen das nicht. Du darfst dich ruhig auf uns berufen und bekennen, dass du dieses Game auch gerne spielen würdest, wenn du dürftest.» Vielleicht werden unsere Kinder sich viel lieber hinter uns stellen, wenn sie darin frei sind. Wenn sie dadurch in die Lage kämen, anstatt dem Druck der Kollegen und der Eltern auszuweichen, aus Loyalität zu handeln. Manchmal müssen wir Grenzen setzen und nein sagen, aber was Kinder weiterbringt, ist ihre Freiheit, das Gute und Wahre zu wählen.
Und das zweite, vergib mir, wenn ich es immer wieder erwähne: Wir sollten auf die Motive unserer Kinder achten. Sie sind wichtiger als ihre Taten. Glaubst du das auch?

 

Verabschiedung Beat Etter

 

Livesendung vom 25. Februar 2019

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Refresher 19-01 «Ueben oder spielen - oder beides?»

Viele Kinder äussern irgendwann den Wunsch, ein Musikinstrument zu erlernen. Eltern melden sie dann für den Unterricht an und übernehmen die Verantwortung, dass das Kind täglich 10, 20, 30… Minuten übt. Oft sehen wir, dass den Kindern nach kurzer Zeit die Freude abhanden kommt. Es entsteht ein täglicher Kampf um die Übungsminuten, oft mit unschönen Argumenten: «Ich bezahle so viel Geld für den Unterricht, da erwarte ich aber, dass du auch täglich 20 Minuten übst!» So rufen wir unverzüglich den Gegenwillen auf den Plan. Das heisst, der äussere Druck wird in diesem Moment grösser als der innere Wunsch, zu üben, und wir finden uns in einem mühsamen Machtkampf wieder, wo es eigentlich nur Verlierer gibt.

Wie viel schöner wäre es aber doch, wenn ein Kind mit Freude bei der Sache sein könnte und auch einmal freiwillig auf seinem Instrument spielte - gerne auch länger als die empfohlenen 20 Minuten. Wie erreichen wir das?

Kein Druck, kein «Üben», sondern «Spielen» - dann, wenn das Kind Lust verspürt und mit Freude daran geht, wenn es sich im Spiel vertiefen und verlieren kann. Kein Üben, um die Mutter oder die Lehrerin zufriedenzustellen, sondern aus Freude an der Sache oder aber (später) auch einfach, weil es ein lohnendes Ziel vor Augen hat. Wie klingt das für dich?
Wer diesen Weg wählt, dem kann es passieren, dass das Kind erstmal gar nichts mehr macht. Aber selbst dann wird es in der Musikstunde vorwärts kommen. Und irgendwann kommt der Moment, wo fröhliche Flöten- oder Geigentöne erklingen. Einfach so…

Lehrpersonen, zu denen das Kind eine Beziehung aufbauen kann und die als Coaches den Kindern zur Seite stehen und sie motivieren, die aber keinen Druck ausüben, sind eine grosse Hilfe. Das Musizieren soll nicht ihr Bedürfnis sein, sondern das Bedürfnis des Kindes.

 

Talk über das Monatsthema

 

Livesendung vom 28. Januar 2019

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