"Jeden Abend streiten sie. Wenn ich nicht eingreife, kommt es zu Gewalt. Was kann ich tun?" Solche und ähnliche Anfragen häufen sich in letzter Zeit. Deshalb möchte ich es hier thematisieren.
Oft gibt es in solchen Situationen das "liebe Kind" und das "böse Kind". Fast immer intervenieren Eltern dann zugunsten des lieben Kindes. Allermeist wohl zu Recht, denn rein äusserlich gesehen, sind die Umstände meist so. Das Problem ist, dass diese Haltung die Situation zementiert. Das "böse Kind" ist frustriert und sucht, sich zu rächen, das liebe Kind fühlt sich bestätigt und hat letztlich auch kein Interesse an einer Lösung. Oft ist es hilfreich, und das hat sich an einigen Orten bewährt, wenn man als Eltern den Schiedsrichterdienst nur sehr sparsam leistet. "Wenn ihr es schafft, ohne zu streiten, lese ich euch eine Geschichte vor, sonst müsst ihr alleine zurecht kommen." Sobald beide Kinder ein Interesse haben am friedlichen Beisammensein, kann sich etwas verändern.
Tiefer geht das folgende Vorgehen: Sprecht darüber, was Hierarchien sind. Ermutigt die jüngeren Kinder, sich unterzuordnen, und coacht die älteren darin, wie sie Führung wahrnehmen.
Letzthin sprachen wir an der FARO-Schule über Hierarchien und wer sich denn wem gerne unterordnet. Die Kinder konnten erstaunlich offen darüber sprechen. Nun waren da zwei Mädchen, die sich bewusst geworden waren, wie die Hierarchie zwischen ihnen ist. Und es ergab sich folgendes Gespräch bei einer Partnerarbeit:
T (untergeordnet): Sollen wir den Text nochmals durchlesen? Ich bin noch nicht ganz drausgekommen.
N: (übergeordnet): Nein, ich habe es begriffen.
Wie erwartet fügte sich T in die Sache, und die beiden gingen an ihre Plätze. Gelegenheit für mich, auf N zuzugehen. Ich fragte sie: "Hast du jetzt eher in deinem Interesse oder im Interesse von T entschieden?" Anstelle einer Antwort ging sie zu T, und sie lasen den Text nochmals durch. Ich denke, es ist zentral, dass wir den Kindern diese Art von Leiterschaft vermitteln: Wenn ich übergeordnet bin, bin ich nicht Herrscher über andere, sondern dann trage ich Verantwortung für andere. Deren Wohl ist mir mindestens so wichtig wie meines. Diese Haltung ist wohl die beste Voraussetzung, dass sich soziale Gefüge entwickeln, die eben nicht Hackordnungen sind, sondern gleichwürdige Hierarchien.
Es kommt dir das ein bisschen utopisch vor? Wir waren auch überrascht. Vor allem wurde uns bewusst, wie schwierig es für Kinder ist, wenn Erwachsene ihnen laufend vermitteln, dass das Bilden von Hierarchien unerwünscht sei. Fragt uns an der Konferenz nach unseren Erfahrungen.