Nicht provozieren lassen?

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6 Jahre 3 Monate her #6298 von barbara dominique
Frage
Hallo zusammen

Heute Morgen ging es wieder mal so richtig drunter und drüber. Meine Tochter (9) hatte ihr Ladybug-Kostüm angezogen und wollte so in die Schule. Ich schlug ihr vor, drüber noch etwas "Normales" anzuziehen (das Kostüm ist hauteng). Da tickte sie so richtig aus, begann zu schreien, mich zu beschimpfen etc. (das hat sie ab und zu, mittlerweile längst nicht mehr so extrem und häufig wie früher). Zuerst nahm ich sie bei der Hand und brachte sie ins Zimmer, damit sie sich umzog. Sie blieb aber nicht und beruhigte sich auch nicht. Schliesslich sagte ich ihr, dass ich es nicht akzeptieren könne, dass sie so mit mir redet. Wenn sie sich so verhalten wolle, dann müsse sie aus meinem Zimmer raus. Als sie sich weigerte, machte ich meine Tür zu. Um mich zu provozieren ging sie daraufhin zu ihrem 3-jährigen Bruder und brachte ihn zum Weinen (kneifen?). Ich war wütend, sagte aber nichts zu ihr, sondern ging zu meinem Sohn und wollte ihn trösten. Dies wollte er aber nicht. Also sagte ich ihm, er dürfe jederzeit zu mir kommen, wenn er seine Meinung ändern würde. Es verging keine Minute, da sagte mir meine Tochter, sie tue jetzt ihrem Bruder noch einmal weh, wenn ich nicht nachgeben würde.

Und da ist meine Unsicherheit: Ich sollte mich nicht von ihr erpressen/provozieren lassen, aber ich will auch meinen Sohn dem nicht aussetzen. Ich beschloss, für dieses Mal trotz allem nicht zu reagieren. Sofort begann er wieder zu weinen. Ich blieb aber im Zimmer (ich hatte ihm ja angeboten, zu mir zu kommen). Und da passierte etwas für mich sehr Überraschendes: Als ich nicht rauskam, ging meine Tochter(!) zu ihm, um ihn zu trösten. Sie entschuldigte sich bei ihm und sie spielten friedlich zusammen. Bevor sie in die Schule ging, kam sie zu mir und entschuldigte sich für ihr Verhalten. In diesem Fall schien es also gerade das Richtige zu sein, nicht darauf zu reagieren?!
War das Zufall? Was hättet Ihr getan? Und habt Ihr eine Ahnung, weshalb sie ihre Meinung so schnell änderte??

Liebe Grüsse
Barbara

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6 Jahre 3 Monate her #6299 von Bäretatze
Antwort
Liebe Barbara,
Danke für dein Teilen von dieser spannenden Situation!
Am Schluss stellst du ein paar Fragen, und ich möchte dir hier einfach schreiben, was ich sehe, was mir aufgefallen ist.
Kennst du den Frustrationskreisel von Gordon Neufeld?
Sonst wird er hier recht ausführlich beschrieben:
www.vertrauenspaedagogik.ch/index.php/fo...grad-nix-hoeren-will

Deine Tochter war wohl an jenem Morgen sehr frustriert, und diese Frustration schlug schnell in aggressive Energie um. Als du sagtest, wenn sie sich nicht beruhige, müsse sie aus dem Zimmer raus, kam grad noch mehr Frust dazu. Denn getrennt zu werden von der Bezugsperson ist immer frustrierend und ganz speziell in dieser Situation, wo ein Kind ja sowieso schon frustriert ist. Deshalb wäre ich hier sehr vorsichtig, zu sagen sie wollte dich provozieren mit dem Kneifen des Bruders. Ich glaube eher, es war Ausdruck der Aggression. Diese Energie muss ja irgendwo raus, da kommt der kleine Bruder gerade recht.
Anschliessend macht sie wohl noch eine Runde im Kreisel, und versucht in der ersten Ausfahrt, die Situation zu verändern, indem sie erneutes Kneifen androht.
Dass sich die Situation anschliessend so gut löste zeigt aus meiner Sicht, dass deine Tochter bereits gemischte Gefühle hat. So konnte sie, nachdem die Aggressionsenergie erst mal draussen war, ihre Gefühle wieder mischen.
Meiner Meinung nach stellt sich für mich nicht die Frage, ob es richtig war, nicht zu reagieren. Ich würde mich viel mehr fragen, was es für andere Wege gibt, diese Aggressionsenergie rauszulassen. Vielleicht könnt ihr mal in einer ruhigen Minute darüber sprechen, was man machen kann, wenn man so richtig, richtig wütend ist? Schreien, Türe schletzen, auf ein Kissen hauen, ... ?
Aus vertrauenspädagogischer Sicht ist es immer ratsam ein frustriertes Kind nah zu sich zu nehmen statt es wegzuschicken. Lieber ihm in meiner Nähe einen Weg zeigen, wie es diese Energie loswerden kann, als ihm durch Trennung noch mehr Frustration zuzumuten.

Liebe Grüsse, Bäretatze

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6 Jahre 3 Monate her #6300 von barbara dominique
Antwort
Liebe Bärentatze

Vielen Dank für Deine Antwort!
Ja, den Frustkreisel kenne ich. Wie man die Wut rauslassen kann, darüber haben wir schon oft gesprochen. Sie hat gute Ideen, schafft es aber in der Wut nicht, diesen Weg zu gehen. Das ist sicher etwas, woran wir immer wieder arbeiten müssen.
Provozieren nannte ich es deshalb, weil sie mich ja bewusst damit erpressen wollte - natürlich WEGEN ihrem Frust ...
Dass man das Kind lieber in der Nähe lassen soll, weiss ich grundsätzlich. Aber wenn meine Tochter wütend ist, dann beisst/schlägt sie um sich und beleidigt mich (und andere, die dabei sind) ziemlich heftig. 1. Will ich das nicht tolerieren und einfach hinnehmen. 2. Will ich aber auch nicht mit ihr schimpfen oder sogar ebenfalls laut werden. Deshalb sage ich ihr in so einem Fall ganz ruhig, dass ich das nicht tolerieren könne. Wenn sie so wütend ist, dass sie nicht anders mit ihrer Wut umgehen könne als sich so zu verhalten, dann müsse sie dies in ihrem Zimmer tun, wo sie niemanden verletzen kann. Sobald sie ruhig ist, darf sie natürlich wieder zurückkommen. Würdest Du in diesem Fall trotzdem Variante 1 vorschlagen??

Liebe Grüsse
Barbara

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6 Jahre 3 Monate her #6301 von Sara Rebekka
Antwort
liebe barbara,

schon "vor der einfahrt in den frustkreisel" gibt es noch einige möglichkeiten, zu versuchen, es mit dem frust gar nicht so weit kommen zu lassen.

bindung aktivieren: zuerst könntest du eine verbindung zu deiner tochter aufbauen, indem du zum beispiel lächelnd fragst: "willst du heute ein marienkäfer sein?" vielleicht nickt sie dann und lächelt ebenfalls. die verbindung zwischen euch wäre damit hergestellt und das, was du als nächstes sagst, fällt auf fruchbaren boden bzw in offene ohren.

frust voraussehen: euer gespräch könnte so weitergehen: "weisst du, warum man im winter keine marienkäfer sieht? es ist zu kalt. sie ziehen entweder in den süden oder verkriechen sich irgendwo. ich weiss, dass du dein kostüm mega gerne anziehen würdest und dass es dir deshalb umso schwerer fallen wird, darauf zu verzichten. aber auch für dich ist das wetter zu kalt."

klare führung bzw. hierarchie: meine kinder merken sofort, wenn ich hemmungen habe, ihnen etwas zu verbieten. je sicherer ich selbst bin, desto einfacher akzeptieren sie ein nein. bei meinem ältesten sohn habe ich eine zeit lang sein verhalten als aggression interpretiert, dabei steckte er immer noch in der ersten ausfahrt "änderung" fest und versuchte durch seine wut die situation zu ändern. du würdest übrigens auch im alpha bleiben, wenn du zwei varianten zur auswahl anbietest, z. b. so: "du hast die wahl, entweder deine normalen kleider anzuziehen oder dein kostüm drunterzuziehen."

und am ende bleibt dann nur noch, den frust - falls er trotzdem "einfährt" - auszuhalten und dem kind zu helfen, einen sinnvollen umgang damit zu finden. meine kinder schaffen's ganz oft erst in einer extra-schlaufe ;) .

herzliche grüsse
sara


ps: kennst du das join-up-gitter? für mich war das eine mega entdeckung! du kannst es im shop kostenlos downloaden.

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6 Jahre 3 Monate her #6302 von barbara dominique
Antwort
Liebe Sara

Vielen Dank für Deine Antwort und Deine Tipps!
Sehr oft ist es leider so, dass meine Tochter ganz nett etwas fragt und bester Laune ist, und wenn ich ihr die Bitte ebenfalls ganz nett und gut begründet abschlagen muss, tickt sie von einer Sekunde auf die andere aus. Obwohl ich das weiss, kommt es manchmal doch wie aus heiterem Himmel - gerade, wenn wir es wirklich gut zusammen haben. Auch in diesem beschriebenen Fall war es keineswegs so, dass ich sagte: "Geh auf Dein Zimmer und zieh Dich um, so darfst Du nicht in die Schule!" Ich habe ihr vorgeschlagen, doch noch einen Jupes und ein Oberteil drüber zu ziehen, sodass man statt Strumpfhosen das Kostüm noch sieht. Das war aber schon zu viel Eingriff für sie. Mittlerweile habe ich mit ihr besprochen, dass ich sie das nächste Mal einfach auf die möglichen Konsequenzen hinweise (sie könnte kalt haben und ziemlich sicher wird der Lehrer sie nach Hause schicken, um sich umzuziehen). Ich zwinge sie aber nicht, sich umzuziehen. Gott sei Dank haben wir mit den Lehrern guten Kontakt - sie würden da auch mitziehen.

Ja, das Join-up-Gitter kenne ich! In der Theorie habe ich alles gelesen und vieles auch schon verinnerlicht, aber in der Praxis treffe ich doch immer Situationen an, bei denen ich mir nicht sicher bin, was jetzt gut wäre... :-(

Liebe Grüsse
Barbara

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6 Jahre 3 Monate her - 6 Jahre 3 Monate her #6303 von Sara Rebekka
Antwort
liebe barbara,

darf ich dich fragen, wo im join-up-gitter du deine kommunikation einordnen würdest? in welchem quadranten kommunizierst du üblicherweise? kannst du das sagen?

ich hatte eine freundin, deren sohn nicht im join-up war bzw. die sich ihren kindern unterordnete. immer, wenn sie klar führte, war ihr kind total frustriert - weil "die mama nicht folgte".

kannst du so eine konstellation (hierarchieumkehr) ausschliessen?

falls es bei dir nicht zutrifft, vergiss die frage einfach... ;)

liebe grüsse
sara
Last edit: 6 Jahre 3 Monate her by Sara Rebekka.

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