Brillen, Schubladen und co.

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10 Jahre 1 Monat her #3956 von Timil
Frage
Hallo ihr lieben,
Kennt ihr eine gewisse Brille auch, die wenn ich sie anhabe, alles einfängt, was mit dieser Brille sichtbar ist? Das bekannteste Beispiel ist wohl die rosarote Brille und alles ist rosa;-)
Doch es gibt noch mehr Brillen die Eindrücke werden dann in Schubladen eingeordnet was dann wieder zu Schubladendenken führt. Nun, ich neige sehr stark dazu, und es gibt Phasen, da neige ich in dieser Hinsicht etwas zum Extremen… Beispiel gefällig? Es gibt so Schlagwörter. Oft auch heisse Eisen. Trauma ist so eines.
Nun, in dieser Hinsicht kannte ich bei meiner Geschichte die Fakten und traumatische Erfahrungen wiederholten sich und zwar in ausgeprägtester Form über eine lange Zeit. Bis vor einem Jahr sah ich meine ganze Geschichte mit dieser “Brille”, und die Leidenszeit verlängerte sich dadurch… wenn ich über meine Kindheit und Jugend erzählte, hüpfte ich von einer schmerzhaften Erfahrung zur nächsten. Mir begegneten laufend Menschen, die das selbe erlitten hatten und so schloss sich der Kreis. Der Weg der Heilung führte über das bewusste ablegen dieser Brille und das anziehen von Gottes Brille, mit dem beginnen mich so zu sehen, so wie er mich sieht, und das sind zwei komplett verschiedene Welten! Die Tatsachen verändern sich dadurch kein bisschen was geschehenist ist das geschehen und doch wird das Erleben fundamental anders, schlicht eine neue Realität oder neu geboren werden, wie es der fromme Schargon formuliert;-) Das was geschehen ist, ist heute meistens einfach ein Teil vom Ganzen, ein Teil meiner Geschichte, PUNKT.

Ein anderers Schlagwort ist ADS oder ADHS. Phu, mein Sohn bekam diesen Stempel und in der ganz schwierigen Leidenszeit wurde ich mehrfach aufgefordert, dass auch medizinisch abzuklären, denn Ritalin könne die ganze Situation entspannen und entschärfen.
ADHS so eine Brille, die erklärt, das es angeblich ein genetisches Defizit und das die Verantwortlichkeit gehirntechnisch beantwortet.
Das Gehirn entwickelt oder reift ja in sich selber, oder und dazu braucht es Erfahrungen. Wenn positive Erfahrungen zu wenig und negative dafür zu oft gemacht werden, dann häufen sich auch gewisse Diagnosen wie ADHS… bei meinem Sohn nahm ich den Standpunkt ein, wenn ADHS oder sonst eine Auffälligkeit an ihm wieder einmal im Raum stand, es braucht MEHR. Mehr Liebe, mehr Geduld, mehr Nerven, mehr ANGENOMMENSEIN, mehr Erfahrungen, die ihm Gelegenenheit geben zu zeigen, was er drauf hat, dass er wichtig ist.
Und auch bei ihm, Gottes Brille anziehen, wie sieht er ihn? Und das gibt einen ganz anderen Blickwinkel, und unterdessen erlebe ich meinen Sohn ganz anders und das “es braucht MEHR” normalisiert sich zusehends, gerade und vorallem auch im letzten Jahr, seid wir bewusst mit VP unterwegs sind.

Warum ich überhaupt auf diese Gedanken komme ist angeregt durch den Treat Hochsensibilität. Nach dem Test wäre ich sehr davon betroffen, auch meine mittlere Tochter. Lange Zeit sah sie mehr, vorallem wenn sie ein Engel im Raum sah, war sie erstaunt, dass wir das nicht bemerkten….
Nun, Hochsensibilität kann eine “Brille” sein, die eine gewisse Zeit hilft, mit der Herausforderung umzugehen, wenn unser Kind anders ist, uns mehr herausfordert. Doch in mir macht etwas ACHTUNG, wenn ich das lese… einfach weil es so schnell zu “Schubladendenken” führen kann, genau wie ADHS.

VP hilft mir extrem, immer wieder Gottes Brille anzuziehen, versuchen die Situation, mein Kind, mein Gegenüber und vor allem auch mich selber so zu sehen, wie Gott uns sieht.
Und da darf so viel einfach sein, dass heute bei uns in der Gesellschaft aneckt, und ich glaube, wenn immer mehr Menschen mit dieser Brille unterwegs sind, dann braucht es so “Diagnosen” wie ADHS, Traumatisiert oder Hochsensiblilität immer weniger, dann ist es es einfach wie es ist, im Moment… und das wünsche ich uns allen, nicht nur unseren Kindern, die uns teilweise mehr und sehr herausfordern;-)
Herzlich Timil
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10 Jahre 1 Monat her #3961 von Bäretatze
Antwort
Liebe Timil,

Danke für dieses Thema! In Bezug auf die Vergangenheit gehe ich mit dir einig, es ist so gut, dass wir diese Möglichkeit, Gottes Brille, haben!
Aber ich glaube, was die Gegenwart betrifft, gibt es noch was anderes.
Ich bin Asthmatikerin, dies ist nicht meine Identität, und ich fühle mich auch nicht chronisch krank, oder Lungenkrank, obwohl das durchaus so ist. Aber es ist eine Tatsache, und ich muss dieser Tatsache Rechnung tragen sonst kann es gefährlich werden. Es ist auch gut, wenn mein Umfeld darüber Bescheid weiss, damit sie im Notfall (den gibt es nur äusserst selten, Gott sei Dank) richtig handeln können. Bei gewissen Entscheidungen ist es wichtig, dass ich diese Tatsache einbeziehe. Und manchmal ist es auch hilfreich dies so zu kommunizieren. "Nein ich kann nicht mit ins Lager kommen, weil ich eine extrem starke Hausstaubmilben-Allergie habe" oder "Ich kann im Moment nicht an einer Wanderung auf den Säntis teilnehmen, mein Asthma lässt es nicht zu". Und manchmal sind da sogar "Schubladen" lebensretend, z.B. als ich mit geplatztem Blinddarm notoperiert werden musste. Da reichte es zu sagen, ich bin Asthmatiker und alle im Ops wussten wo sie mich einzuordnen haben.
Dies sind aber Ausnahmesituationen, im normalen Alltag ist Asthma für mich kein grosses Thema, es bestimmt nicht mein Leben.
Obwohl hochsensibel oder ADS ja keine Krankheiten sind, finde ich, gibt es Parallelen. Diese Stempel sollen nicht die Identität einer Person ausmachen. Aber es ist doch gut, wenn sie und ihr Umfeld über diese Besonderheit Bescheid wissen und sich entsprechend verhalten können. Es ist hilfreich, wenn sie diese Tatsache in ihre Entscheidungen, ihre Lebensgestaltung einfliessen lassen können.
Ich weiss von ADHS Eltern, für die war es wie eine Erlösung, als sie endlich die Diagnose hatten. Endlich gibt es einen Namen, und endlich weiss man auch wonach man in der Literatur suchen muss. Und es muss ja nicht gleich Ritalin bedeuten. Aber man kann gewisse Dinge im Alltag anders gestalten, kann sich Tips und Hilfe holen. Mit dem hochsensiblen Kind geht es mir, im beschränkten Mass, etwas ähnlich. Und ich glaube, vielen Eltern geht es auch so, dass man anfängt an sich selber zweifeln, und man denkt, man habe selber soviel falsch gemacht. Dann tut es einfach gut, zu merken, mein Kind hat diese Besonderheit, und da bin nicht ich Schuld dran. Aber auf jeden Fall ist es wichtig, bei allem, das einzelne Kind zu sehen, und nicht einfach die Schublade "ADHS" oder "hochsensibel".
Ich denke, schlussendlich muss jeder Mensch lernen sich anzunehmen und mit seinen ganz eigenen Besonderheiten zu leben. Ob dies nun Allergien, Krankheiten, Traumas, hochsensibilität, oder was auch immer sind...

en liebe Gruess!
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10 Jahre 1 Monat her #3967 von Timil
Antwort
Danke, Bäretatze das Thema beschäftigt mich im Moment ganz intensiv.

"Brillen" erlebe ich als hilfreich; wie du so treffend schreibst, geben sie einen Namen für Besonderheiten, ermöglichen Hilfestellungen und Tipps, andere Gestaltungsmöglichkeiten im Umgangs und schärft uns den Blick für diese Situationen und ermöglicht es auch Außenstehenden, ohne grosse Worte eine Situation, ein Verhalten, eine Eigenheit einzuordnen.
Das Gefühl der unfähigen Mutter kenne ich mega gut, auch das Bewusstsein, was ich falsch gemacht habe etc. und die Entlastung, dass ich nicht "Schuld" bin an allen Schwierigkeiten, die wir aushalten mussten. Von dem her ist eine Diagnose her auch sehr entlastend und befreiend, war es auch für mich.
Was eine Diagnose ermöglicht ist in erster Linie das Verständnis und DURCH das Verstehen einen anderen Zugang und Umgang mit ein derselben Situation.
Und es geht in allen Situationen um das Kennen UND respektieren unserer Grenzen, wenn ich nicht schwimmen kann, gehe ich nicht ins tiefe Wasser, wenn Asthma da ist, vermeide ich Situationen, die das aktivieren können, wenn mein Kind ADHS hat, halte ich Regeln ein, wenn ein Kind hochsensibel ist, nehme ich auf diese Empfindlichkeit Rücksicht. Es gibt Grenzen, die sind gesetzt, unverändebar und es gibt Grenzen, die wir erweitern können. Und da war es für mich befreiend, bewusst, die "Brille" wechseln zu können, so dass eine Diagnose an Wichtigkeit verliert und es letztlich auch nicht mehr eine Schuldfrage bleibt...

Und wie du so treffend schreibst, geht es letztlich um die bedingungslose Annahme MIT all unseren Besonderheiten;-) Und da wünsche ich uns viel Gnade;-)
Herzlich
Timil

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10 Jahre 1 Monat her #3996 von Luema
Antwort
Ihr Lieben
ich seh Hochsensiblilität ganz grundlegend anders. Es ist für mich kein Stempel und keine Diagnose. Es ist eine Gabe.
Jede Gabe bringt auch Verantwortung und Herausforderung. Und sie so einzusetzen, dass sie meinen Mitmenschen dient, dazu möchte ich meine Kinder begleiten und das bin ich für mich selbst am lernen.

Ich bin nicht einfach: Vorsicht, hochsensibel, bitte Samthandschuhe! Nein, ich habe die Hochsensibilität für mich und meine Mitmenschen, damit ich spüren kann, wo mein Gegenüber steht, dementsprechend auch einfühlsam und treffend beraten kann weil mein Gespür mir sagt, was das Gegenüber in etwa braucht. Klar muss ich das immer auch noch sorgfältig überprüfen. Aber so oft wird mir gesagt: Du triffst genau den Kern, du triffst mein Problem, du hast erfasst, wo es sitzt, obwohl ich das selbst nicht mal spürte! Das ist meine Gabe, die mich dazu bringt, das so schnell zu erfassen. Meine Gabe der Hochsensibilität ist zum Teil ein Grund dafür, dass ich so empathisch sein kann. Meine ganze Arbeit hier im Forum kann ich so machen aufgrund dieser Gabe. Nicht nur, aber doch zu einem grossen Teil.

Ich habe die Gabe der Hochsensibilität, um für meine Mitmenschen beten zu können, wenn ich im Zug sitze und die Last meines Sitznachbars fühle. Ich habe die Gabe um Situationen zu erfassen, Konflikte zu spüren und in Worte zu fassen und dann Lösungen sehr gezielt zu suchen.

Hochsensibilität ist ein Talent (ich meine das im Sinne der drei Knechte im Gleichnis der Bibel) Kein Stempel. Und dafür stehe ich immer wieder ein weil es immer wieder als Stempel, Problem und Diagnose angeschaut wird. Wer dazu mehr wissen möchte, ich finde das Buch: "Lastentragen, die verkannte Gabe" ganz wundervoll treffend geschrieben.

Für unsere Kinder hilft es uns, sie besser zu verstehen und ebenfalls dahin zu führen, dass sie diese Gabe verantwortungsvoll nutzen. viele Hochsensible wurden als Kind nie verstanden und bekamen schlussendlich nur das Gefühl: ich bin falsch. Ich bin anders. ich bin seltsam.
Mir ging es auch so. Und was für eine wunderbare Entdeckung, nun zu lernen: ich bin richtig, ich bin einzigartig, ich bin wunderbar, und ich habe eine Gabe, KEIN Problem!
Klar wünschte ich mir manchmal auch, nicht so kompliziert und tiefgründig denken zu müssen. Es kann auch zermürben. Manchmal beneide ich weniger sensible Leute. Aber dann weiss ich auch: Meine Gabe gehört zu MEINER Berufung. Und das was der andere hat, gehört zu seiner.

Ich wünsche, dass die Kinder heute sich richtig fühlen mit ihrer Hochsensibilität damit diese Gabe sich richtig entfalten kann und ein grosser Segen sein kann, so wie ich davon überzeugt bin, dass unser Schöpfer sie sich gedacht hat.
Übrigens kennt man Hochsensibilität auch aus der Tierwelt. Man hat herausgefunden, dass eine Gesellschaft bzw. Herde am effizientesten und sichersten funktioniert, wenn Hochsensible und Normalsensible eng zusammenarbeiten und die gegenseitigen Talente nutzen. Die Hochsensiblen spüren und denken vor und sehen Gefahren, die Normalsensiblen packen an und führen die Sache durch. Es braucht beides in ausgeglichenem Masse. Ich bin dafür, dass wir dieses Zusammenspiel wieder entdecken und dadurch unsere Gesellschaft bereichern. Aber das geht eben nur, wenn wir das gegenseitige Beurteilen aufgeben, einander vertrauen und jeden so nehmen wie er ist und seine Talente annehmen wie sie sind. Dafür ist VP genau das Richtige. Dann bräuchte es nicht mal solche Schlagworte wie Hochsensibilität, damit es allen gut ginge und wir einander bereichern könnten. Aber manchmal müssen wir wohl über den Verstand an ein Thema herangehen, damit wir davon profitieren können. Mir jedenfalls ging es so mit der Hochsensibilität.

herzlich,
Maria

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10 Jahre 3 Wochen her #4027 von Bäretatze
Antwort
Liebe Maria,

Wie du deinen Umgang mit Hochsensibilität beschreibst finde ich uh schön, und macht mir Mut für die Zukunft.
Allerdings, wenn ich ehrlich bin, muss ich auch sagen, dass ich im Moment noch nicht sehr viel von diesem Talent sehen kann. In den vergangenen Jahren war sie für mich einfach ein sehr herausforderndes Kind, mit Besonderheiten, die ich nicht einordnen konnte. Es waren wie Puzzleteile, die irgendwie einfach keinen Platz im Ganzen fanden. Nun, wo ich weiss, um was es sich handelt entsteht langsam ein Bild.
Endlich kann ich Verhaltensweisen einordnen und verstehen. Vielleicht hast du das anders erlebt, weil du selber betroffen bist? Ich stand auf jeden Fall oft vor einem riiiiesigen ? und wunderte mich, warum ich mein eigenes Kind nicht verstehen kann.
Wir haben gerade einen Städtetrip gemacht. Eines Nachmittags, wir hatten schon einiges angeschaut, setzten wir uns in ein Café und die Kinder durften Kuchen oder Eis bestellen, oder ein Süssgetränk. L sass in sich gekehrt da, und sagte auf meine Frage hin, sie wolle nichts. Früher hätte ich das überhaupt nicht verstehen können, ich hätte es vielleicht sogar persönlich genommen. (da macht man eine coole Reise, will einkehren, und dann macht sie nur einen Lätsch und will nicht mal was trinken) Nun überlegte ich mir, dass sie wohl reizüberflutet ist, und einfach etwas Zeit braucht. Ich liess ihr diese Zeit, und siehe da nach einigen Minuten trank sie etwas Fanta von ihrer Schwester und war wieder quitschlebendig. Wie bin ich dankbar, für dieses Wissen! Und ich glaube, am meisten profitiert sie selber davon! Man kann es nun Schublade nennen, oder Stempel, für mich ist es einfach eine Eigenheit von ihr, die nicht ganz einfach im Umgang ist.
Auch denke ich, ist L nicht empathisch hochsensibel, eher in die anderen Richtungen. Da fällt es mir im Moment aber noch schwer zu sehen, wo denn die Begabungen in diesem Bereich liegen... Da fällt mir allerdings ein, sie lernt extrem schnell, vorallem Sprachen. Sie muss ganze Listen von Wörtern 1,2 durchsehen und kann sie dann einfach. Könnte das so eine Begabung in diesem Zusammenhang sein?

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10 Jahre 3 Wochen her #4029 von Luema
Antwort
Hochbegabung kann öfters auch noch mit Hochsensibilität zusammenhängend auftreten. Ich würde das mal im Auge behalten!

Bei mir war es als Kind schon so, dass ich oft nicht verstanden wurde. Das Resultat: ich schaffte mir meine Traumwelt und träumte einfach stunden bis tagelang vor mich hin. Es war meine Zuflucht, wenn Aussen keiner sah, was mit mir los war und niemand es verstand. So hatte ich meine Überlebensstrategie.

Meine Mama ist selbst hochsensibel, hat das aber leider auch nie "sein dürfen" und somit einfach nur gelernt, dass sie falsch sei mit dem was sie fühle und denke... und dieses Gefühl hat sie mir natürlich ein Stück weit weitergegeben. Ich versuchte mich somit eher in Überangepasstheit. "Dank" meiner Hochsensibilität spüre ich sofort alle Erwartungen rund um mich herum und bin bestrebt, sie alle sofort zu erfüllen. Das ist meine grosse Schwierigkeit mit dieser Gabe.
Somit war ich wohl kaum ein auffälliges Kind, weil ich mich möglichst angepasst verhielt.

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