Trennungsangst- unbegründet?

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7 Jahre 11 Monate her - 7 Jahre 11 Monate her #5669 von jeto71
Frage
Hallo
Ich bin Mutter von zwei Kindern, ein Sohn 9 und eine Tochter 6. meine Tochter zeigt schon seit über einem Jahr wenn nicht länger trennungsangst von mir und ich weiss nicht warum. Mit einem Jahr kam sie zwei Tage in der Woche zu einer Tagesmutter da ich ein Studium fertig machen musste. Die Trennung fiel ihr immer sehr schwer, mir allerdings auch. Mein Sohn hatte das auch. Bei der Tagesmutter gefiel es ihr aber sehr gut, sie wollte oft am Abend nicht nach Hause. Mit 2 war sie extrem selbstständig. Sie ist sehr wiff, versteht Dinge schnell, sehr selbstständig. Sie wurde ein Jahr früh eingeschult, weil sie wohl zu reif für den Kindergarten war. Saugt alles auf wie ein Schwamm. Bloss geht sie an keinen Geburtstag ohne mich, ( das hat sie aber mal vor da. 2/3 Jahren), sie kommt mit mir und dem Hund spazieren obwohl sie eigentlich nicht will, sie kann nicht alleine einschlafen, sie mag nicht alleine im Bett liegen in ihrem Zimmer, und sie schläft meistens vor 9.30 nicht ein. Das zerrt. Die Klavierlehrerin kommt zu uns nach Hause, sonst würde sie garnicht gehen. Und es macht ihr grossen Spass. Ich muss noch erwähnen dass ich seit 3,5 Jahren nicht mehr arbeite und immer zuhause bin. Das war bevor sie in den Kindergarten kam. Die erste Woche Kindergarten war der Horror. Die Lehrerin musste sie schreiend in den Kindergarten tragen. Obwohl sie noch vor zwei Jahren draussen mit Nachbarskindern spielte in deren garten, geht sie heute nicht mehr alleine dorthin zu Besuch. Ich weiss nicht was los ist. Es verzweifelt mich ein wenig. Hat da jemand ähnliche Erfahrung oder einen Input? Ich wäre sehr dankbar.
Jeto71
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7 Jahre 11 Monate her - 7 Jahre 11 Monate her #5672 von Landi
Antwort
Liebe jeto71

Du beschreibst genau unsere Situation, die sich nun seit ca. einem halben Jahr massiv verbessert hat, dennoch sind wir am üben und neue Schritte wagen. Um es vorweg zu nehmen, ich weiss wie anstrengend das ist und kann die Hilflosigkeit immer noch fühlen, die sich in mir ausbreitete. Und ich weiss nicht, ob wir so weit wären, wie wir heute sind, wenn wir nicht Unterstützung erhalten hätten.

Ich möchte dir kurz unsere Situation schildern. Meine Tochter ist jetzt neun Jahre alt und wird zusammen mit ihren beiden Geschwister von mir zu Hause unterrichtet. Bevor sie im Kindergartenalter war, war sie ein sehr aufgeschlossenes Kind und hatte keine Probleme ohne mich zu andern Leuten zu gehen, übernachtete bei Freunden,... Dann haben wir sie in den Kindergarten gebracht. Leider hat sie sehr schlechte und angsterfüllte Situationen ausstehen müssen, wurde gegen ihren Willen von mir getrennt und ihr dann den Fluchtweg zu mir verschlossen. Das hat dazu geführt, dass sie seither nicht mehr von meiner Seite weicht. Im Moment war mir der Zusammenhang nicht bewusst und ich dachte, es sei doch nicht normal, dass sie nirgends ohne mich hingehe. Es wurde dann über die Jahre immer schwieriger. Regelmässig weinte sie sich an mich gekuschelt in den Schlaf, weil sie Angst davor hatte, ich könnte am Morgen weg sein. Sie kam überall mit wo ich hinging, sie musste auch immer wissen, in welchem Raum im Haus ich mich aufhielt und ich musste ihr sagen, wenn ich Raum wechselte. Vergass ich das, rannte sie ganz aufgelöst im Haus herum und schimpfte dann tüchtig mit mir, wenn sie mich gefunden hat.
Diese Angstattacken kamen Schubweise. Manchmal hielten sie sich auf aushaltbarem Niveau einige Monate stabil, dann kam wieder eine sehr anstrengende Zeit mit täglichen Ausbrüchen. Vor einem halben Jahr haben wir uns dann an jemanden gewendet, die uns erklärte, dass unsere Tochter Symptome eines Traumas hat. Diese Person hat uns dann ein Coaching angeboten und wir haben gelernt, wie wir ihr helfen können mit diesen extremen Angstgefühlen umzugehen. Wir haben mit ihr nach Wegen gesucht, was ihr im Moment der Angst am meisten hilft und wie sie sich selber beruhigen kann. Durch dieses Coaching und unsere bewusste Auseinandersetzung mit dem Trauma und den starken Gefühlen unserer Tochter, durch das intensive Zusammenarbeiten mit ihr und ihre Kooperation darin sind wir heute an einem Punkt, wo sie wieder alleine mit ihren Geschwister in den Park rausgeht, wo sie zum nahen Laden läuft, um mir etwas zu holen, wo sie entspannt spielt, ohne Angst zu haben, ich könnte plötzlich unauffindbar sein. Es ist dennoch immer wichtig für sie, dass ich erreichbar bin. Wenn sie zu andern Leuten gehen, weil Mama und Papa alleine weggehen, geben wir ihr ein Handy mit, damit sie uns anrufen kann, wenn es gar nicht mehr geht. Schon alleine unsere Stimme zu hören und zu wissen, wie lange sie noch ohne uns ist, hilft ihr dann, die Zeit noch auszuhalten.

Was ich als sehr wichtig und hilfreich empfunden habe ist das offene Reden mit unserer Tochter über ihre Ängste. Benennen, was es genau ist, wie es sich anfühlt und was helfen könnte. Dann wieder auswerten, wie ist es gegangen, was war schwierig und auch Erfolge feiern. Und unbedingt nicht die Angst als etwas Schlimmes und nicht Normales ansehen, sondern mehr Fokus auf die Lösungsansätze legen und dabei immer auf der Seite der Tochter bleiben.

Ich hoffe meine Schilderung gibt dir den einen oder anderen Anstoss. Fühl dich frei nachzufragen oder mich auch persönlich per Mail zu kontaktieren. Aber grundsätzlich kann ich ein Coaching oder eine Beratung empfehlen, denn diese Situation kann einem schnell überfordern und auslaugen.

Lg, Landi.
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7 Jahre 11 Monate her - 7 Jahre 11 Monate her #5673 von Kiki
Antwort
Liebe Landi,

mega eindrücklich, dein Bericht. Danke.

Liebe jeto71,

mit unserer Jüngsten haben wir eine etwas weniger schwerwiegende Form von Trennungsangst erlebt. Als der Opa sich einer Herzoperation unterziehen musste, wollten wir ihn besuchen. Beim Einsteigen in den Zug, drängten sich zwei Schulklassen mit uns hinein, so dass die Kleine "mitgerissen" wurde. Nun waren wir getrennt: Die beiden Jungs samt Kinderwagen bei mir, die beiden Mädchen auf der anderen Seite des Waggons. Unsere Jüngste schrie panisch wie am Spiess. Da wirklich kein Durchkommen war, wurde sie von helfenden Händen über die Köpfe aller hinweg zu mir gehievt. Trotzdem war sie von diesem Tag an nicht mehr von meiner Seite wegzubekommen. Wir haben damals gar nichts unternommen. Sie durfte einfach immer bei mir sein, weil ich ihre Angst gut verstehen konnte. Irgendwann gewann sie wieder an Sicherheit und verlor diese Angst von selbst.

Liebe Grüsse
Kiki
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7 Jahre 11 Monate her - 7 Jahre 11 Monate her #5674 von Momira
Antwort
...ich häng mich da auch gleich noch an.
Ja, das ist sooo anstrengend. Unsern Jüngsten hab ich mit 12 ins Klassenlager begleitet, wenn er bei Freunden schlafen wollte, stand er plötzlich um Mitternacht wieder bei uns im Schlafzimmer, wenn wir als Eltern am Abend weg waren und er mit den grossen Brüdern und Grosi zu Hause war, sass er auf der Treppe bis wir wieder zu Hause waren.

So wie Landi und Kiki das auch schildern, nützt es gar nichts, sich gegen diese Aengste zu wehren und die Kinder zu zwingen oder zu trainieren. Im Gegenteil.

Wir müssen versuchen, uns darauf einzustellen, dass diese Kinder einfach besonders nahe bei uns sind. Sie können zur Ruhe kommen, wenn sie sich sicher und in unserer Nähe fühlen. Und in der Ruhe passiert Reifung. Irgendwann werden sie die Reife haben, die eine räumliche Trennung ohne grosse Angst erlaubt. Es wird ihnen dann vielleicht reichen, wenn wir z. B.sagen: "..in der Pause werden wir ganz fest aneinander denken und dann freu ich mich auf den Mittag, wenn du wieder da bist".
Ich wünsche dir viel Mut zu einem "Ja", vorübergehend so viel Nähe auszuhalten, so viel Verständnis aufzubringen und zu keiner Trennung zu drängen....Das fordert manchmal viel von uns als Eltern. Oft hab ich mir riesige Sorgen gemacht und gedacht, wir schaffensnicht mehr. Mir half dann häufig, wenn ich jemandem erzählen konnte wies mir grad geht...
Heute geht unser Sohn gerne weg...und kommt gerne wieder nach Hause!

von Herzen
Momira
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7 Jahre 10 Monate her #5693 von jeto71
Antwort
Liebe Landi, Momira und Kiki

Ich bin furchtbar gerührt durch eure so lieben und aufschlussreichen Antworten. Vielen vielen Dank. Es hilft schon ein bischen zu wissen, dass es noch andere Kinder gibt, die auch solche Trennungsangst zeigen, und aufgrund von Situationen, die wir Erwachsenen manchmal als so unwichtig oder klein ansehen, die aber für die Kinder wohl sehr einschneidend und gross waren.
Heute abend bin ich wieder fertig mit den Nerven. Meine Tochter kann nicht alleine im Bett liegen und einschlafen. Sie muss immer einen von uns daneben haben, bis sie einschläft. Das kann bis zu 1 1/2 Stunden dauern. Dann ist es 9.30 oder 10.00 und der Abend ist vorüber. Ja das ist zermürbend. Aber ihr habt mir grosssen Mut gemacht, diese Angst zu akzeptieren (ich fange an zu schimpfen und verliere die Geduld und Nerven), ausharren und eventuell eben auch Hilfe holen. Landi, kannst du mir sagen bei wem ihr im coaching wart?
Es gibt auch Stimmen um mich rum, die sagen, meine Tochter tyrannisiert uns, sie will uns kontrollieren usw. Dann versuche ich gegen zu steuern, weil ich weiss, dass dies nicht so ist. Wir bleiben dran!
vielen Dank für eure Anteilnahme und Zeit. Das habe ich sehr geschätzt.
herzlichst
Jeto 71

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7 Jahre 10 Monate her #5695 von Landi
Antwort
Liebe Jeto71

Oh, wie kann ich dir nachfühlen! Sie laugen einem richtig aus, diese langen Abende am Bett der Tochter, wenn man eigentlich noch dies und jenes erledigen wollte.

Wir haben uns vor ca. eineinhalb Jahren, als wieder eine sehr intensive Welle ausgebrochen war, an Heinz gewandt. Er hat uns Tips gegeben, wie wir im Alltag am besten auf sie reagieren und sie liebevoll führen können. Ein Jahr später, nachdem wir einen Monat unterwegs gewesen waren, kamen wir zu Hause an und vom ersten Tag an überfiel unsere Tochter wieder eine massive Angstattacke, mit der ich nicht mehr zurecht kam. Da mir damals noch nicht bewusst war, dass sie unter einem Trauma leidete, dachte ich, dass sie vielleicht einen körperlichen Mangel haben könnte, da es ihr auch oft schlecht war und sie andere körperliche Irritationen zeigte. So wandten wir uns an eine Bekannte, die Ärztin ist und fragten um Rat bezgl. dem Körperlichen. Da sie ebenfalls Erfahrung hatte im psychischen Bereich, machte sie uns gleich darauf aufmerksam, dass da etwas anderes zu Grunde liege. Und so bot sie uns auf privater Basis ein Coaching an.

Noch kurz zu den Aussagen anderer, wegen dem Tyrannisieren... Es fühlte sich für mich tatsächlich manchmal so an, als würde meine Tochter mich herumkommandieren und mich dominieren. Und tatsächlich ist es auch so, dass ein traumatisiertes Kind (oder ein Kind, das grosse Angst ausgestanden hat) zu Kontrollverhalten neigt. Das kann sich stärker oder schwächer zeigen. Die Situation unter Kontrolle zu haben bewahrt sie vor dem hilflosen Gefühl, das sie ausstehen musste, als sie so schreckliche Angst hatte. Natürlich läuft das unbewusst. Dem entgegenzukommen, in dem du deiner Tochter totale Sicherheit gibst, ist sehr wichtig. Gleichzeitig aber dem Kind vermitteln, dass du dich um sie kümmerst und die klare Führung übernimmst. Das fand ich sehr herausfordernd. Gerade das Abgeben der Kontrolle beim Einschlafen scheint sehr schwierig zu sein.

Und nun noch ein letzter Gedanke, der bei uns den ersten grossen und wichtigen Durchbruch bewirkt hat. Ich weiss nicht wie wichtig der Glaube in eurer Familie ist. Der erste Rat, den uns die Ärztin gegeben hat, war das Gebet um Heilung für was auch immer in der Vergangenheit war. Und mein Mann und ich haben begonnen jeden Abend, bevor wir ins Bett gingen, an den Bettrand unserer schlafenden Kinder zu sitzen und um Heilung für vergangene Wunden zu beten und sie unter Gottes Schutz für die Zukunft zu stellen. Und ich habe das Gefühl, dass Gott ihre Wunden wirklich geheilt und dadurch die Basis gelegt hat mit der Angst lernen umzugehen.

Hoffe, ihr findet einen guten Weg eurer Tochter und auch euch selber zu helfen und dass euer Schatz bald zur Ruhr kommen darf. Ich bete jetzt gleich für eure Situation!

Lg, Landi.

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