Refresher

Stöbern Sie hier im Archiv unserer Infobriefe. Wenn Sie etwas zu einem bestimmten Thema suchen, dann sind die Briefe einerseits in Kategorien geordnet, andererseits können Sie auch unter "Tags" nach Themeninhalten suchen. Viel Spass!

Das Join-up-Konzept bzw. die Vertrauenspädagogik wurde zwischen 1998 und 2004 von Heinz und Hanni Etter in den Grundzügen formuliert und seither laufend weiterentwickelt. Seit 2009 führt Heinz Etter vollamtlich die Fachstelle für Vertrauenspädagogik, seit 2012 zusammen mit seinem Sohn Beat Etter.

Info 10-06 "Jans Ämtli übernehmen"

Jan (9) ist im Stress. Er ist noch nicht fertig mit den Vorbereitungen für seinen Sporteinsatz am Abend. So verzögert sich das Nachtessen, denn sein Job wäre es, aufzutischen. Die andern Kinder, insbesondere auch Janine (7) werden zunehmend ungeduldig, und die Mutter möchte etwas zur Entspannung beitragen.

Variante A:
Sie geht auf Janine zu und sagt freundlich: "Janine, sei so lieb und tische für Jan auf, du siehst ja, dass er im Stress ist."

Variante B:
Sie geht auf Janine zu und flüstert ihr ins Ohr: "Möchtest du zu Jan gehen und ihn fragen, ob er froh wäre, wenn du heute Abend für ihn auftischst?"

In der Realität antwortete Janine ziemlich ungehalten: "Wieso soll ich für ihn auftischen, das ist doch sein Ämtli!?" Was denkst du, welche Variante ging dieser Antwort voraus? Du hast recht, es war die Variante A. Warum aber ist die Variante B so viel Erfolg versprechender?

Die Variante A heisst eigentlich: "Ich erwarte von dir, dass du jetzt Jans Job übernimmst. Eigentlich hättest du selber auf die Idee kommen sollen. (Du siehst ja....)." Wenn Janine es tut, wird der Dank Mama zufallen, denn es war ja ihre Idee. Mama hat also das gute Teil und Janine die Mühe. Das kommt schlecht an. Es ist auch eine der Bitten, die in Wirklichkeit keine sind (Manche Kinder haben Mühe damit, solange man diese Form der Aufforderung nicht einmal zum Thema macht.).

Die Variante B gibt dem Mädchen einen Tipp (deshalb zugeflüstert). Es ist wirklich frei, etwas für seinen Bruder zu tun und dann auch die entsprechende Anerkennung zu bekommen oder aber darauf zu verzichten (Vielleicht hat es ja gute Gründe, dieses Angebot nicht zu machen.).

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Info 10-05 "Körperstrafen"

Ich bin im Moment am Überarbeiten des Buches und bin jetzt dort angekommen, wo es um die Körperstrafe geht. Bis jetzt war ich in der komfortablen Lage, dass ich (ausser den Fehlern!!) praktisch nichts ändern musste. Jetzt aber stehe ich an, weil ich ein Problem habe mit diesem Kapitel. Aus zwei Gründen nämlich:

1. Es sieht so aus, dass es über kurz oder lang verboten wird, Kinder zu schlagen. Ich möchte in meinem Buch nicht zu illegalem Handeln verleiten.

2. Ich stelle fest, dass Familien, die VP umsetzen, kaum Körperstrafen anwenden. Täusche ich mich da? Könnte es sein, dass es in deiner Familie anders ist? Was denkst du darüber? Ich selber finde Körperstrafen unnötig, und die Gefahr, dass sie demütigend wirkt, ist grösser als bei andern Formen der Strafe.

Ich habe vor, das Kapitel umzuschreiben, so dass es um Strafe geht - nicht um Körperstrafe. Fast alles, was ich dort schreibe ist gültig, insbesondere der Gedanke, dass Strafe und Schuldbewusstsein zusammengehören. Ich bin überzeugt, dass es die Körperstrafe nicht braucht, aber ich bin sicher, dass wir alle - nicht nur die Kinder - anfällig sind, Dinge zu tun, die wir eigentlich selber nicht ok finden. Nur dank der drohenden Strafe können wir uns überwinden, das zu tun, was wir eigentlich richtig finden. Insofern kann ich mir keine Pädagogik vorstellen, die ohne Druck auskommt. Aber es muss ein Druck sein, der wahrnehmbar in einer Vertrauensbeziehung eingebettet ist.

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Info 10-04 "VP Coaching für Kinder"

Als Erfahrungsbericht erzähle ich euch kurz nach, was auf dem Forum steht. Giovanna hat mir noch ein Detail erzählt, das ich erwähnenswert finde. Sie ging mit einer Gruppe Kinder in den Walterzoo, was immer eine Herausforderung bedeutet. Wie behält man eine Gruppe Kinder inmitten dieser Menge im Auge? Nach dem Teamtag "Erziehen im Vertrauen" wollte sie wissen, "ob es funktioniert", und sagte zu ihren Schützlingen: "Heute machen wir es anders als sonst, wenn wir weggehen. Ihr seid dafür verantwortlich, dass ihr mich nicht verliert. Ihr müsst immer wissen, wo ich bin, und merken, wenn ich weiter gehe." Das klappte sehr gut, und schon wollte Giovanna zufrieden sein, als sie merkte, dass es jetzt einfach die älteren Kinder waren, die ihre Last trugen. Sie trieben jetzt die jüngeren voran. So sagte sie zu ihnen: "Macht es doch einfach wie ich. Sagt den Kleinen, dass sie auf euch schauen sollen, nicht umgekehrt." Und siehe da, es funktionierte wunderbar. "Ich war noch nie so erholt nach einem Zootag." so ihr Fazit.

Ich erzählte die Geschichte seither da und dort. Immer wieder höre ich: "Das würde ich in einem Zoo nie wagen." Wenn du auch so denkst, dann empfehle ich dir diese Übung an einem ungefährlicheren Ort zu versuchen. Im Supermarkt zum Beispiel. Oder ist der noch gefährlicher?

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Info 10-03 "Hierarchien"

Hierarchien gibt es überall, trotz Sozialismus und Demokratie.

In unserer Kultur gehen wir davon aus, dass wer oben ist, mehr wert ist, als jemand, der unten ist. Also wollen alle eher oben sein, was jene, die oben sind, mit Angst erfüllt, und sie dazu führt, die Position zu verteidigen und jene vorsorglich einzuschüchtern, die unten sind. Immer auf der Hut vor möglichem Ungehorsam oder gar Rebellion. Das wiederum führt dazu, dass sich Untergeordnete nicht wohl fühlen, dass sie sich gedemütigt vorkommen und sich deshalb tatsächlich Gedanken darüber machen, wie sie der undankbaren Rolle entkommen könnten. So schliesst sich der Teufelskreis.

VP fängt damit an, dieses Denkmuster zu verlassen! Das ist nicht einfach.

Schau vielleicht nochmals das Video "Die 6 Minuten" an. Wieso wächst das Vertrauen des Pferdes bei dieser Zeremonie und nicht seine Angst? Weil die Pferde nicht im obigen Denkmuster sind, sondern in jenem, das auch Jesus propagiert hat: Wer führt, soll sich als Diener fühlen, und Unterordnung ist nichts Schändliches - im Gegenteil. Auch in uns Menschen ist dieses Verhalten angelegt. Wir brauchen es nur zu aktivieren.

Menschen wollen, wie alle sozialen Wesen, nur zwei Dinge:

  1. Einen geklärten Platz in der Hierarchie, wo sie weder von unten noch von oben angefeindet werden, sondern akzeptiert sind.
  2. Die Gewissheit, dass die Führenden fit sind, und Klarheit darüber, ob sie allenfalls mehr Verantwortung übernehmen müssten.

Letzteres ist nun etwas, was wir Menschen gerne missverstehen. Wenn dein Junge mit dir armdrücken will, dann geht es ihm nicht darum, dich zu besiegen, sondern um das gute Gefühl zu spüren, dass du stärker bist und deshalb am richtigen Platz bist. Wenn du die Mutter oder die Lehrerin bist, wird er andere Wege wählen, zu diesem guten Gefühl zu kommen. Nimm das deshalb nicht als Angriff, sondern als das, was es ist, ein schöpfungsgemäss angelegtes Verhalten, das sicherstellen soll, dass die Hierarchie noch stimmt. Verpasse nicht ein liebevolles, aber klares Hierarchiesignal zu geben, denn das ist es, was das Kind sucht. Du als Vater musst vielleicht wieder ein bisschen trainieren und du als Mutter sag vielleicht: "Hoppla, das war der falsche Ton, junger Mann!" begleitet von einem Lächeln, einer kleinen Berührung oder einem scherzhaften Puff. Wenn du deinem Kind die Provokation übel nimmst, dann seid ihr entweder nicht im Join-up oder dann bald nicht mehr.

Nimm deshalb immer wieder die Gelegenheit wahr, Überordnungssignale zu geben. Zum Beispiel so:

"Manuel, du solltest noch das Auto saugen, bevor wir wegfahren."

"Nein, das stinkt mir!"

"Mach dir keine Gedanken, es geht auch dann, wenn es dir stinkt."

Warte keine Antwort mehr ab, das zeigt deinem Kind, dass du dir sicher bist. Wechsle das Thema schnell oder entziehe dich der Situation.

Ich wünsche deinen Schülern oder deinen Kindern solche liebevollen, aber klaren Hierarchiesignale. Sie geniessen es.

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Info 10-02 "Verhaltensauffällige Kinder"

Immer wieder stossen sich Menschen daran, dass ich - vor allem auch an den Kursen - lehre, dass die Erwachsenen die Verantwortung für Fehlentwicklungen übernehmen sollen. Ich verstehe das, denn es entspricht nicht unserer Gewohnheit. Sonderschulen und Heime sind ja voll von Kindern, die als schwierig gelten. Die Kinder sind es, die als therapiebedürftig gelten, und das ist natürlich nicht ganz falsch.

Wir haben als Heimleiterehepaar immer wieder etwa Kinder an Wochenenden betreut. Dabei lebten wir ganz normal weiter, hatten Besuch und gingen auf Besuch. Glaube mir, es hat nie jemand gesagt: "Aha, ich sehe, das ist ein verhaltensauffälliges Kind." Es war meist genau umgekehrt: "Wieso ist denn dieses Kind in einem Heim? Es ist ja ganz normal." In der Tat gab es, trotz der massiven Verletzungen, die diese Kinder erfahren haben, nur ganz selten Situationen, wo das im Alltag sichtbar wurde. Sobald sie in einer "normalen" Familie waren, zusammen mit unsern Kindern, normalisierte sich ihr Verhalten sehr schnell. Kinder im Join-up verhalten sich "normal". Wenn sie nicht im Join-up sind, dann gehen die Unterschiede extrem auseinander. Während das bei den einen Kindern kaum auffällt, sind andere Kinder extrem rebellisch bis hin zu hinterhältig und gemein. Im Join-up aber verhalten sich alle mehr oder weniger korrekt.

Wenn also dein Kind sich sehr schräg verhält, empfehle ich dir, alles daran zu setzen, dass es ins Join-up kommt. Kaum ein Opfer ist dafür zu gross. Wenn dir das nicht gelingt, dann suche Hilfe, denn darum geht es letztlich.

Und eben: Der Anfang jeder Join-up-Intervention besteht darin, dass du aufhörst, dem Kind Vorwürfe für sein Verhalten zu machen. Übernimm - wie das auch die Manager tun (sollten) - die Verantwortung für Fehlentwicklungen und leite, nachdem du nicht abgewählt werden kannst, den Sanierungsplan ein. Genaueres dazu im Buch Seite 44.

Zum Schluss noch ein kurzes Müsterli aus unserm grosselterlichen Alltag:

Ich wickle S (1,5) im Badezimmer des oberen Stockwerks, während B (4) wie immer keine Anstalten macht, sich anzuziehen. Anstatt ihn anzutreiben, sage ich: "Du kannst dir Zeit lassen mit dem Anziehen. Denke aber daran, dass ich nachher mit S hinunter gehe." Er fand das zunächst unfair. Ich fragte: "Wieso findest du das unfair? Unfair wäre doch, wenn ich es dir nicht gesagt hätte. Du hast jetzt ja noch alle Zeit, dich anzuziehen, bis ich hier fertig bin." Das leuchtete ihm ein. Er zog sich in Windeseile an und freute sich, dass er noch vor uns fertig war.

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Info 10-01 "Fussball oder Hausaufgaben"

Vergleiche die beiden folgenden Situationen:

Stefan (12) kommt von der Schule.
Mama: "Hast du Aufgaben?" 
"Ja, aber nicht so viele. Ich gehe zuerst noch ein bisschen Fussball spielen."
"Nein, Stefan, zuerst die Arbeit und dann das Vergnügen."
"Ja, aber alle Jungs spielen unten. Nachher ist niemand mehr da."
"Keine Diskussion. Erst wenn du die Aufgaben gezeigt hast, kannst du hinaus gehen."
Stefan setzt sich widerwillig an seine Aufgaben. Diese Situation ist ja in dem Sinn erfreulich, dass die Mutter Autorität hat über ihr Kind. Aber fördert sie so wirklich das innere Wachstum ihres Kindes?

Vergleiche dazu das vertrauenspädagogische Vorgehen:
"..... ich mache die Aufgaben nachher."
"Wie du meinst. Ich verstehe schon, dass du dich zuerst ein bisschen bewegen musst."
"Anderseits wäre ich auch froh, wenn ich nicht die ganze Zeit an die Aufgaben denken müsste."
"Das verstehe ich."
"Weisst du was, ich gehe jetzt kurz raus. Wenn ich in einer halben Stunde nicht zurück bin, würdest du mir kurz läuten lassen aufs Handy? Ich vergesse mich sonst gerne."
"Ok, mach ich."
Das ist für mich eine schöne Situation. Da entwickelt sich ein Kind, lernt abzuwägen. Oben hat das Eingreifen der Mutter diese Abwägung jäh gestört, und Stefan hatte nur noch die Argumente im Kopf, die für Fussball sprachen, selbst wenn er vorher noch die Vorteile gesehen haben mag, die für das Aufgabenmachen sprachen. Schade ist, dass für ihn die Aufgaben eine lästige Pflicht zu sein scheinen. Das ist weniger harmlos und auch nicht so zwingend, wie man meinen könnte. Viel Potenzial geht verloren, weil Kinder Hausaufgaben nur selten als eine inspirierende Anregung empfinden. Von dieser Problematik handelt das neue Buch, das “Vertrauens-Schule” heisst und auch auf www.vertrauenspaedagogik.ch bestellt werden kann.

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Info 09-12 "Fleisch und Brot"

Viele Leserinnen und Leser haben Mühe, Kinder zu führen, die im Join-up sind. Wir haben ja darin alle keine Vorbilder. Ich möchte Ihnen deshalb eine wunderschöne Erfahrung mit meinem Enkel erzählen. B ist drei Jahre alt.
Wir sassen am Tisch beim Frühstück. B langte munter zu auf die Fleischplatte. Ich fragte: "Möchtest du ein bisschen Brot?" Er verneinte höflich. Ich erfuhr, dass er ohne Aufforderung kein Brot isst. Er würde sich am liebsten nur von Fleisch ernähren.
"Dein Mund freut sich über das Fleisch, aber der Bauch freut sich über das Brot." B überlegte eine Weile und sagte dann: "Der Mund freut sich aber nicht über das Brot." "Dann würde ich ein bisschen weniger Brot essen und ein bisschen mehr Fleisch. Der Bauch hat Freude, wenn sich der Mund auch freut." Ich wandte mich wieder dem Tischgespräch zu und beachtete ihn nicht weiter. Eine Weile später war das Brot gegessen. Ich ging nicht darauf ein. Ich wollte ihn nicht loben dafür, denn es hätte ja geheissen, dass es etwas Besonderes ist, wenn man Brot isst, oder wenn man auf seinen Grossvater hört. Aber ich habe mich gefreut, und das hat er sicher gemerkt.

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