Wie ein Teenager

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8 Jahre 5 Monate her #5319 von Faith
Frage
Hallo

Mit unserem grössten Kind (7 Jahre) stossen wir seit Schulbeginn immer mehr an unsere Grenzen. Sein Verhalten ist sehr rebellisch und provokativ, beinahe wie ein Teenager. Er kann zwar sehr anhänglich und lieb zu mir und seinen Geschwistern sein aber oft ist er unausgeglichen und sehr launisch. Mir kommt das oft vor wie Stimmungsschwankungen. Grad Sonntags ist er oft so schlecht gelaunt und wenn wir Fahrrad fahren gehen, dann mag er keinen kleinen Hügel hinauf, schon ist er total frustriert und sagt, er schaffe das nicht, wir müssen sein Fahrrad stossen. Dies obwohl der 2 Jahre jüngere Bruder selbst problemlos sein Fahrrad selber stösst.

Er steigert sich dann richtig in was rein und wir können ihn kaum ermuntern, dass er es selber schafft. Grad sein Vater wird dann wirklich wütend, wenn er so täubelt, v.a. wenn er so ausrastet, dass er das Fahrrad auf die Strasse fallen lässt und nicht sorgsam damit umgeht. Das ist jetzt einfach ein Beispiel, wie es mit einer miesen Laune beginnt und sich hoch schaukelt bis zum Wutausbruch, worauf dann eigentlich immer bittere Tränen folgen. Ja, weinen kann er. Jämmerlich sogar. Er drückt es dann richtig heraus, dass es einen fast schwer fällt mit ihm zu trauern, weil er es so künstlich herausdrückt oder losschreit wie ein kleines Baby.

Ist das alles Kompensation vom stark sein müssen in der Schule? Wie kann ich ihm bloss helfen, dass wir die Sonntage entspannter als Familie verbringen können?

Freue mich auf eure Ideen.

Herzlichst, Faith

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8 Jahre 5 Monate her #5320 von Bäretatze
Antwort
Liebe Faith,

Gut möglich, dass für dein Kind die Schule wirklich eine grosse Herausforderung ist. Und damit ist es nicht alleine, ich würde mal sagen, das geht den meisten Kindern oder sehr vielen Kindern so. Sie erleben da soviel verletzendes und frustrierendes, und um dies auszuhalten müssen sie sich "panzern". Sie legen sich, bildlich gesprochen, einen Panzer ums Herz, der sie hart macht und schützt. Abends und an den Wochenenden können sie wieder weich werden, und oft werden sie dann überflutet von all den Gefühlen und den ungeweinten Tränen.
Wir haben das mit unseren 3 Kindern über Jahre hinweg so erlebt. Manchmal stellte ich sehr frustriert fest, dass es 3/4 vom Wochenende braucht, bis die Kinder all ihren Frust abgeladen haben, bis alle Tränen geweint sind und sie wieder weich sind. Und kaum ist das passiert, fängt die neue Woche an. Das ist anstrengend, auch für die Eltern!
Unsere Kinder sind seit gut einem Jahr in einer vertrauenspädagogischen Privatschule. Seither hat sich dies massiv verändert, es gibt immer mal noch Frust oder Verletzungen, aber längst nicht mehr in diesem Ausmass, und gepanzerte Kinder erlebe ich nur noch ganz selten.
Nun kann ja nicht jede Familie diesen Schritt machen, aber es gibt trotzdem Wege die helfen können. Grundsätzlich ist Bindung der allerbeste Schutz für unsere Kinder. Also die Beziehung pflegen und anhand der Bindungsstufen von Gordon Neufeld diese vertiefen. Ja und immer wieder Raum geben, um Frust abzuladen, um zu weinen, usw. Vielleicht ist es auch dran, die Interaktion mit Gleichaltrigen einzuschränken. Also nicht an den Nachmittagen auch noch abmachen, sondern eher Zuhause sein, oder in den Wald gehen oder so.

Ich hoffe, du kannst etwas damit anfangen...
Liebe Grüsse, Bäretatze

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8 Jahre 5 Monate her #5321 von Faith
Antwort
Liebe Bäretatze

Ach, einfach toll, dass es dieses Forum gibt. Es tut nur schon so gut etwas, was einen auf den Herzen liegt aufzuschreiben und wenn dann noch so eine hilfreiche Antwort folgt... Einfach super!
Hab übrigens grad die Sendung Reporter vom letzten Sonntag gesehen. Da gings um - unschooling - und da kam das natürlich auch zum Thema. Also dass die Kinder keine Kinder brauchen, der Druck und das Mobbing usw.
Am Neufeld-Seminar waren wir. Wir müssen unser Wissen da aber echt wieder etwas auffrischen. Zu schnell gerät man immer in alte Muster. V.a. mein Mann...

Wegen dem Abmachen. Das ist jeden Mittwochmittag eine riesen Diskussion am Essenstisch. Sie wollen unbedingt und ich hab halt mal gesagt abmachen, ok, aber nur Mittwochnachmittag und sonst nie nach der Schule. Umso wichtiger ist ihnen dann eben der Mittwoch und ich bin jedes Mal etwas traurig am Esstisch, dass sie die Nachmittage wegziehen wollen. Ich glaube das nennt man Eifersucht. Viel lieber hätte ich sie um mich und gehe mit ihnen spazieren oder wir spielen was zusammen. Noch weniger mag ich es, wenn Freunde von ihnen zu uns kommen. Ich habe immer das Gefühl, es werde in unsere Privatsphäre eingedrängt. Kennt ihr das Gefühl auch oder bin ich da einfach so sensibel? Wenn andere Kinder mit unseren Spielsachen spielen, vielleicht nicht so sorgsam sind oder wild werden, da werde ich schnell empfindlich und gar etwas intolerant. V.a. wenn ich das andere Kind nicht wirklich kenne. Wenn es der allerbeste Freund ist, dessen Mutter ich auch kenne oder so, ist das was anderes. Vielleicht hängt das ja auch damit zusammen, dass ich instinktiv spüre, dass dieser zusätzliche Kontakt neben dem Schulhausplatz meinen Kindern gar nicht gut tut. Aber wenn ich sage, bitte mach heute nicht ab, sondern verbring den NM mit mir, ist er ja ebenfalls gefrustet?!

Ich wollte noch sagen, dass bei uns trotzdem die Ferien meist fast am allerschlimmsten sind. Ich konnte nie sagen, jetzt hat er den Panzer gelöst und ist wieder ganz in der Bindung. Im Gegenteil. Er ist so ein aufgewecktes, neugieriges Kind, das die äusseren Reize sehr schlecht filtern kann. Sind wir also in den Ferien und da hat es viel Neues zu entdecken, ist das Verhalten am schlimmsten. Er kann dann nicht mehr loslassen und täubelt ganz stark wenn wir sagen, dass wir jetzt wieder aufs Zimmer oder so gehen. Er will dann immer noch und noch mehr und ist einfach nie zufrieden. Grad am letzten Ferientag gibt es dann unzählige Tränen, wenn es heisst, morgen fahren wir wieder heim. Auch auf dem Rummelplatz am Stadtfest in diesem Jahr gab es eine riesen Szene, als wir abends müde nach Hause wollten. Als wärs zu Hause total öde und langweilig. Ihm ist zu Hause wirklich ständig langweilig und das gibt dann halt auch Frust. Das tut ihm wiederum gut an der Schule. Der Rhythmus, die Struktur und v.a. die Förderung. An den Wochenenden und in den Ferien ist er dann wie depressiv, weil ihm kein Programm vorgehalten wird. Versteht man das? Unser Kind spürt dann wohl zu oft, dass seine Undankbarkeit und Unzufriedenheit uns sehr frustriert, was wiederum der Bindung schadet. Ein Teufelskreis...

Liebe Grüsse, Faith

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8 Jahre 5 Monate her #5322 von Eviana
Antwort
Liebe Faith,

du schreibst, dass dein Ältester seit Schulbeginn so "nahrhaft" ist. Wie war eure Beziehung vor dem Schuleintritt? War euer Sohn im Join-up? Warst du im Alpha? In älteren Threads schilderst du oft ähnliche Verhaltensmuster.

Darum frage ich mich, ob in eurer Situation nicht auch der Gegenwille oder eine Bindungsumkehr mit im Spiel sein könnten.

Auch das Weinen tönt für mich eher nach einem wütenden als nach einem traurigen Weinen. Hhmmm...

Wie gut kennst du VP? Irgendwo schreibst du, dass du das Buch "Erziehen im Vertrauen" gelesen hast. Hast du auch schon ein Seminar besucht? Vielleicht willst du dich kurz mit einer Trainerin oder direkt mit Heinz austauschen?!

Liebe Grüsse und alles Gute!
Eviana

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8 Jahre 5 Monate her #5323 von Faith
Antwort
Hallo liebe Eviana



Gut möglich, dass er davor schon nicht immer im Join-up war. Wir hatten zwar tolle Ferien und viele schöne Dinge gemeinsam erlebt, wo er sehr glücklich und uns sehr nahe war aber es gab eben auch viel Frust, wenn diese Tagesausflüge, die er so liebte, dann zu Ende gingen usw. Denn wie schon beschrieben, sind grad die Ferien bei uns immer sehr schwierig. Wenn er da nicht ständig ein Programm hat, ist er sehr gelangweilt und frustriert. Ja, also ich gehe auch davon aus, dass er ständig in die Bindungsumkehr gerät.



Im Moment ist VP nicht mehr so aktuell wie vor ein paar Jahren aber ich habe mich intensiv damit befasst. War am Vortrag von Neufeld und hatte auch einige Beratungen mit Heinz und wurde eine Zeit lang von Maria gecoacht. Auf alle Fälle kostet uns dieses Kind seit er ca. ein Jahr alt ist, immer viel Kraft und VP greift nie so schnell, wie beispielsweise beim 2 Jahre jüngeren Bruder. Er ist schon ein Alpha-Tierchen und wird wohl auch die Lehrer auf Trab halten. Mir fehlt immer noch die innere Gelassenheit aber wir bleiben am Ball und werden uns wie gesagt in Zukunft wieder intensiver mit der VP befassen und schreibe hier gerne, wenn ich darf, meine Beobachtungen.



Herzlichen Dank und liebe Grüsse

Faith

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8 Jahre 5 Monate her #5324 von Eviana
Antwort
Liebe Faith,

dann sind wir quasi "Leidensgenossinnen". Eins meiner vier Kinder, unsere ältere Tochter, gerät auch schneller als die anderen in den Gegenwillen und in die Bindungsumkehr. Schon seit sie ein Baby war, ist das bei uns ein Thema. Wir haben auch Beratung und Begleitung hinter uns, und mir ist die intensive Beschäftigung mit VP und der Austausch mit VPlern (z. B. in der VP-Gruppe) eine Riesenhilfe und vor allem eine ständige Ermutigung, die Beziehung zu stärken, auf die Hierarchie zu achten...- all diese Dinge!

So wie du's von deinem Älteren schreibst, ist auch bei mir die Beziehung zu meiner älteren Tochter besonders intensiv und schön. Dafür lohnt es sich dranzubleiben, gell... :)

Dir alles Gute, viel Kraft und bis demnächst im Forum!
Eviana

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