Refresher

Stöbern Sie hier im Archiv unserer Infobriefe. Wenn Sie etwas zu einem bestimmten Thema suchen, dann sind die Briefe einerseits in Kategorien geordnet, andererseits können Sie auch unter "Tags" nach Themeninhalten suchen. Viel Spass!

Info 17-04 "Komfortzone verlassen"

«Philipp, ich möchte, dass du die Spielsachen im Wohnzimmer aufräumst!» - «Wieso ich? Lara hat mit diesen Sachen gespielt.» Vielleicht kennst du diese und ähnliche Situationen, in denen Kinder nicht bereit sind, eine Aufgabe für andere zu übernehmen oder Verantwortung für andere zu tragen. Vielleicht geht die Geschichte so weiter: Philipp gehorcht zwar widerwillig, schleudert die Spielsachen seiner kleinen Schwester aber achtlos und unsortiert in eine grosse Kiste. Einzelne Teile zerbrechen oder verbiegen und alles landet irgendwo im Kinderzimmer anstatt am richtigen Ort.

«Was ist daran falsch», wirst du vielleicht denken, «wenn jeder in der Familie Verantwortung für seine eigenen Sachen übernimmt?» Im normalen Leben ist es doch auch so. Wer die Küche benutzt, räumt sie nachher auf. Wer einem Mitmenschen den Kaffee über das teure Jackett leert, bezahlt die Reinigung. Wer einen Unfall verursacht, kommt für den Schaden auf. So ist das Gesetz!

Es gibt aber weit Grösseres als das Gesetz. Jesus hat es uns vorgelebt. Er, der König der Welt, kam, um uns Menschen ohne Eigennutz zu dienen. Wie können wir unseren Kindern helfen, ihm ähnlich zu werden? Wie können wir ihnen Werte wie Liebe, Selbstlosigkeit, Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein vermitteln? Wie können wir ihnen helfen, das freudlose «Verursacherprinzip» zu überwinden?

Zum einen haben Kinder ein Recht darauf, dass wir ihnen etwas zutrauen und zumuten. Sie dürfen und sollen die «Komfortzone verlassen». Zum zweiten haben Kinder - wie auch wir Erwachsenen - jeden Tag neu die Wahl, wie sie ihr Leben in den Dienst anderer stellen wollen: mit ständigem Jammern und dem stetigen Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, oder mit einem Gefühl der Freude. Ich wünsche uns allen, dass wir uns für die Freude entscheiden!

Talk über das Monatsthema

 

Livesendung vom 24. April 2017

Komfortzone verlassen

  • Es gibt Situationen, in denen wir als Eltern den Kindern Anweisungen geben oder sie bitten: «Könntest du bitte den Tisch decken?» und ein Widerwille vonseiten der Kinder kommt zurück.
  • Wie gehen wir als Eltern mit Widerwille um?
  • Als Eltern erledigen wir viele Arbeiten, welche wir wegen der Kinder tun müssen - sie haben z. B. die Unordnung verursacht - und das kann uns frustrieren.
  • Teilweise haben wir das Gefühl, dass wir den Kindern nicht zu viel zumuten dürfen und wollen ihnen Freiheit geben.
  • Wir haben oft Hemmungen, unsere Kinder einzubeziehen und ihnen eine Aufgabe zu geben, die sie erledigen können.
  • Wo fängt der Bereich an, wo das Kind die Komfortzone verlassen soll, wenn es eben eine Arbeit tun sollte, die ihm keinen Spass macht?
  • Wir müssen uns häufig selber dazu entscheiden, gewisse Arbeiten gerne zu erledigen. Denn wenn wir das nicht schaffen und auch unsere Kinder nicht, dann ist es schwierig, Dinge, die einfach zum Alltag dazugehören, zu erledigen. Dann haben wir ein Leben, wo wir ständig Dinge erledigen müssen, die wir nicht gerne machen.
  • Die Entscheidung, die Arbeit gerne zu machen, weil sie einfach zum Leben gehört, ist wichtig.
  • Wenn wir es schaffen, unseren Kindern zu vermitteln, dass sie ein Teil des Kollektivs bzw. der Familie sind und nicht einfach ein Gast oder Zuschauer, dass sie gebraucht werden, dann haben wir viel erreicht.
  • Wenn Kinder die Gemeinschaft spüren und wir ihnen Aufgaben anvertrauen, die sie auch erledigen können, dann erleben sie, dass sie ein Teil der Familie und wichtig für die Familie sind.

 

Fragen und Inputs

  • Wie findet man die Balance zwischen Dem-anderen-Dienen und Sich-selber-nicht-Vergessen?
    Jeder muss sich in der Familie wohlfühlen. Jeder hat aber auch seine Grenzen. Gerade als Eltern verzichten wir auf vieles und haben ein bisschen den Dienstmodus. Ich kann dem anderen keinen guten Dienst erweisen, wenn ich nicht auch zu mir schaue. Das müssen wir auch bei den Kindern beachten. Aber es gibt Raum, wo es jedem wohl sein muss. Wenn alle die Freiheit haben, zu tun und machen, was sie wollen, dann kann ich als Elternteil frustriert oder sogar gekränkt sein, es kann mir zu viel werden. Auch wir als Eltern brauchen Balance. Es geht nicht um Druck ausüben, sondern darum, ein Gefühl von Kollektiv weiterzugeben. Man kann nicht immer Spass haben bei allen Aufgaben, dann wird es schwierig, vielleicht auch später in der Arbeitswelt.
  • Teenager macht Aufgaben «oberschludrig». Wie kann man damit umgehen?
    Diese Thematik kommt ja häufig auch bei Kleinkindern vor. Was ist uns als Eltern wichtig? Die Schule nimmt einen wichtigen Platz ein. Die Eltern spüren Druck und geben ihn auch den Kindern weiter. Der Schuldruck kommt häufig nicht von den Lehrern, sondern vor allem von den Eltern. Den Eltern ist oft die Schule sehr wichtig. Sie wollen, dass die Kinder die Hausaufgaben erledigen. Und wenn dann das Kind kommt und sagt: «Oh, ich kann nicht helfen, ich muss noch Hausaufgaben erledigen!», dann kommen wir dem Kind oft entgegen und es entkommt der Aufgabe. Die Kinder nutzen das auch schnell aus, und so entkommen sie Aufgaben, die ihnen nicht besonders Spass machen. Hier müssen wir als Eltern überlegen, was uns wichtig ist. Was wollen wir unseren Kindern vermitteln? Wichtig ist, dass das Kind weiss, dass es ein Teil der Familie ist und es seinen Teil beiträgt. Es ist nicht nur Gast und alle anderen kümmern sich darum, dass es dem Kind gut geht. Wir wollen Kinder, die Verantwortung übernehmen können und fähig sind, auch Verantwortung für andere zu übernehmen. Wir sind es den Kindern schuldig, sie an Arbeiten heranzuführen, die sie ein Stück weit freiwillig und gerne machen, weil sie ein Teil der Familie sind und es zu einer Selbstverständlichkeit wird, dass jeder seinen Beitrag leistet. Es darf nicht demütigend sein. Wenn etwas «oberschludrig» gemacht wird, dann ist es meistens so, weil es eben gemacht werden muss, und nicht, weil es das Kind machen will, weil es sich als Teil des Ganzen sieht. Es geht dann einfach um Gehorsam. Wir sollen den Kindern zeigen, dass es schön ist, etwas miteinander zu machen. Es ist keine Strafe, sondern es ist schön, etwas zusammen zu erledigen und es gerne zu machen. Es wäre eine Illusion, dass es immer harmonisch und schön ist, aber das Ziel sollte sein, als Familie eine gute Zeit zu haben - auch bei Arbeiten, die weniger toll sind.
  • Macht es Sinn, einem Vierjährigen ein Ämtli zu übergeben? Oder ist das zu früh?
    Für ein vierjähriges Kind ist es noch schwierig, ein selbständiges Ämtli auszuführen. Es kann die Verantwortung dafür noch nicht tragen. Aber das Kind kann gut mit den Eltern zusammen Aufgaben erledigen. Dann kann man dem Kind punktuell Aufgaben geben.
  • Als Eltern sind wir ein grosses Vorbild, wie wir mit Aufgaben umgehen. Wie gehe ich mit meinen Aufgaben um? Was gebe ich meinen Kindern weiter? Wie sinnvoll sehen wir unsere Aufgaben? Jesus hat all seine Aufgaben aus Überzeugung gemacht. Was macht wirklich Sinn? In welchen Aufgaben können wir auch aufgehen? Welche Aufgaben machen wir aus Überzeugung?

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Info 17-03 "Zwei Nabelschnüre"

Die erste der beiden schneiden wir heutzutage eher zu früh als zu spät durch. Aber es gibt da eine zweite, eine mentale, die sich manchmal zwischen Eltern und Kind einrichtet, die so eigentlich nicht gedacht ist. Naturgemäss geht es meist um die Mutter-Kind-Beziehung. Oft ist diese Beziehung so intensiv und eng, dass Mütter Schmerzen, Ängste und Freuden ihrer Kinder fast so wahrnehmen, als wären es ihre eigenen. Das ist nicht unproblematisch, denn Kinder sollten in ihren Eltern eigentlich ein Korrektiv haben für ihre eigene Wahrnehmung, jemanden, der den Überblick hat und die Dinge einordnen kann. Viele Kinder spüren aber anstatt dessen die Resonanz ihrer eigenen Gefühle. Ihre Wut auf den Lehrer überträgt sich auf die Eltern, ihre Sorge um die Anerkennung in der Klasse ebenso und manchmal sogar der Liebeskummer.
Kinder haben ein Recht auf ihre eigenen Probleme und auf Eltern, die wie Felsen in der Brandung sind und die nicht mit ihnen in den Problemen untergehen.

Talk über das Monatsthema

 

Livesendung vom 27. März 2017

 

Zwei Nabelschnüre

Viele Eltern - besonders Mütter - verschmelzen mit den Emotionen und Gefühlen ihrer Kinder. Leiden die Kinder, leiden die Mütter in gleicher Weise mit. Das Gefühl des Kindes spiegelt sich in der Mutter und umgekehrt - es schaukelt sich auf.

Natürlich ist es unsere Aufgabe als Eltern, empathisch zu sein, das Gefühl der Kinder zu sehen und zu benennen - Kinder haben ein Recht auf ihre eigene Schwarz-Weiss-Betrachtung - aber wir sollten nicht selber von diesem Gefühl überwältigt werden.

Wir haben die Möglichkeit, andere Aspekte und Ansichten miteinzubeziehen. Wir sehen, wie die Lehrperson oder die Schulkameraden die Situation gesehen haben könnten. So können wir einem Kind helfen (zum Beispiel durch Fragen), das Geschehen richtig einzuordnen, wir können ihm Orientierung geben in einer schwierigen Welt und es trösten.

 

Diese Gedanken lassen sich gut auf die Beziehung zu Gott übertragen: Natürlich nimmt Gott Anteil an meinem Leben, aber er ist nicht Teil meines Problems. Er steht über der Sache, behält den Überblick und ist nicht selbst überfordert. Bei der Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist es genau gleich. Die Kinder sollen spüren: Die Eltern verstehen mein Problem, aber werden deswegen nicht aus der Bahn geworfen.

 

Nächsten Monat werden wir eine im Grunde ähnliche Thematik behandeln: Viele Eltern bringen es nicht über sich, Kinder «aus der Komfortzone zu schicken», weil sie selbst leiden, wenn das Kind leidet.

 

Fragen und Inputs

Denise: Sie reagiert selbst stark auf mobbingähnliche Szenen, obwohl sie sich zwischen fremden Menschen abspielen. Dies hat einen Zusammenhang mit ihrer eigenen Geschichte. Sie erlebt eine Art Wiederholung mit. Je besser sie die eigene Geschichte aufgearbeitet hat, desto besser kann sie in ähnlichen Situationen reagieren. Müssten erwachsene Personen nicht reagieren anstatt nur zuzusehen?

  • Empathie hat den Sinn, dass wir mit anderen Menschen mitfühlen können. Das ist etwas sehr Schönes und soll nicht angeprangert werden - im Gegenteil. Es gilt, mitzuschwingen und gleichzeitig unsere integrativen Funktionen zu behalten und auch andere Aspekte noch einbeziehen zu können: Was geht in den Kindern vor, die andere mobben usw.
  • Als ehemals Betroffene läuft man Gefahr, dass die eigenen alten Schmerzen auftauchen, dass man sich in der eigenen Geschichte wiederfindet. Aber wir Erwachsenen sollten vor allem die Emotionen der Kinder aufnehmen, spiegeln, den Kindern helfen, sie einzusortieren und damit umzugehen. Wenn die eigenen Gefühle aus der Erinnerung hochkommen, kann ich das nicht. Dann schaukeln sich die Gefühle - im Sinne der Resonanz - hoch.

 

Boris: Sohn (6) spricht respektlos: «Papi-Dummkopf, Mami-Dummkopf». Der Vater antwortet äusserlich ruhig: «Das stimmt nicht. Papi ist kein Dummkopf und fertig!», aber innerlich wird er zornig.

  • Es gilt, zwei verschiedene Situationen zu unterscheiden: Unwissenheit und Respektlosigkeit.
  • Weiss das Kind überhaupt, was ein Dummkopf ist? Hilfreich ist eine Erklärung, welche das Wirgefühl stärkt: «Weisst du, was du da sagst? Ich erkläre dir, was ein Dummkopf ist. Ich würde dieses Wort nie zu dir sagen. Es gibt Familien, die das Wort benutzen, aber wir möchten das nicht tun...»
  • Weiss das Kind, dass es ein Unterschied ist, ob Kinder dieses Wort untereinander oder gegenüber den Eltern verwenden? Auch unter Kindern ist es nicht in Ordnung, aber dass der Vater Dummkopf genannt wird, ist ein No-Go. Jedes Kind respektiert von Natur aus ältere bzw. erwachsene Menschen. Ist ein Kind aggressiv, kann es üble Wörter verwenden. Dadurch ehrt es seine Eltern aber nicht, wie es sollte. In solchen Situationen sollte man sich überlegen, wo man dem Kind falsche Signale sendet.
  • Ein letzter Gedanke - passend zum heutigen Thema: Wenn wir einem Kind eine schlechte Rückmeldung zu seinem Verhalten geben, riskieren wir, dass das Kind darunter leidet und unglücklich ist. Das dürfen und sollen wir zulassen. Kinder haben das Recht, auch mal frustriert und traurig zu sein.

 

Regula: Wie sollen Eltern damit umgehen, wenn einzelne Kinder - im Vergleich zu den Geschwistern - sehr viel häufiger korrigiert werden müssen?

  • Warum ein Kind häufiger korrigiert werden muss als andere, kann viele Ursachen haben. Wir alle wissen: Ab einer gewissen Häufigkeit nützen Korrekturen immer weniger und man sucht besser andere Wege.
  • Eine Korrektur aus dem Vorwurf bzw. der Anklage heraus löst in der Regeln nur Verteidigung und Gedanken der Abwehr aus.
  • Es ist generell besser, Kinder aus der Situation herauszunehmen und unter vier Augen zu versuchen, ihre Mitarbeit und ihr Mitdenken zu gewinnen. Besonders wichtig ist es, ältere Geschwister nicht vor den Ohren der jüngeren zu korrigieren (umgekehrt ist es weniger tragisch, aber dennoch nicht hilfreich). Das löst Scham und Gegenwille aus. Je häufiger Kinder öffentlich kritisiert werden, desto krasser ist der Effekt. Je intimer und privater die Situation ist bzw. je ruhiger Eltern sind, desto eher hat die Intervention Erfolg.

 

Regula: Es ist nicht möglich, das Kind (10) aus der Situation herauszunehmen.

  • Da die Situation nicht weiter bekannt ist, kann nur sehr allgemein auf diesen Umstand eingegangen werden: Wenn sich ein Kind nicht aus der Situation nehmen lässt, müssen wir warten.
  • Solange Eltern keine Kontrolle über das Kind haben, nützt auch die Intervention nichts.
  • Es sollte überlegt werden, wie solche Situationen vermieden werden könnten.

 

Kathrin: Die Tochter (4) hat diesen Sonntag von Gleichaltrigen das Wort «Scheisse» gelernt. Sie fand es spassig, das Wort immer und immer wieder zu gebrauchen. Sie weiss nicht, was es bedeutet.

  • Eine Erklärung könnte man ähnlich handhaben wie bei Boris’ Sohn (Erklärung verbunden mit einem Wirgefühl bzw. einer Identität).
  • Es gibt Wörter, die einfach Einzug in unsere Sprache halten. Früher waren Erwachsene zum Beispiel hell empört, wenn Kinder «Seich» sagten, heute ist es ein ganz normales Wort. Man muss unterscheiden können: Ein Wort, das in aller Munde ist, als unschicklich zu erklären, ist nicht ganz ohne. Man muss abwägen, ob sich ein Kampf dagegen lohnt.
  • Alternativ kann man das Wort gewichten bzw. ihm den richtigen Platz zuweisen: «Das Wort ‹Scheisse › braucht man, wenn man fest frustriert ist, aber nicht alle paar Minuten. Was sollen Leute, die das tun, sagen, wenn mal wirklich etwas schlimm ist?» Es kann quasi als «Extremwaffe» geduldet werden.
  • Bei Wörtern, die nicht so schlimm sind, haben manchmal selbst die Eltern gemischte Gefühle - einerseits sind sie etwas verblüfft oder lächeln darüber, wenn ein kleiner Kerl schon so ein «grosses» Wort verwendet, andererseits finden sie die Ausdrucksweise nicht ganz passend. Die Kleinen spüren dann diese heimliche Erheiterung. Kinder geniessen eine solche Form der Interaktion mit den Eltern. Meist verliert dieses Spiel mit der Zeit an Reiz.

 

Kathrin: Tochter (4) war den ganzen Tag mit anderen Kindern zusammen. Es wurde ihr zu viel und sie schlug zuerst ein gleichaltriges Kind, dann ein jüngeres.

  • Schlagen ist ein natürlicher Ausdruck von Aggression bei unreifen Kindern, also nichts Ungewöhnliches.
  • Kindern das Schlagen auszutreiben versuchen, macht keinen Sinn. Viel wichtiger ist es, dem Kind ein Ersatz-Tool anzubieten, z. B. so: «Mir ist lieber, wenn du schreist statt schlägst.»
  • Dem Kind soll vermittelt werden: Wut ist normal und richtig, aber du solltest so und so darauf reagieren.

 

Bettina: Das Kind lügt, z. B. wenn es ums Händewaschen oder die Schule geht.

  • Kleine Kinder sagen grundsätzlich die Wahrheit. Der Volksmund meint dazu: «Kinder und Narren sagen die Wahrheit.»
  • Erst wenn Kinder lernen, die Konsequenzen ihrer Handlungen auf weitere Sicht hinaus abzuschätzen, dann beginnt das Lügen.
  • Lügen ist auch eine Frage der Beziehung. Je vertrauensvoller die Beziehung ist, desto weniger wird das Kind versucht sein zu lügen.
  • Lügen dient in den meisten Fällen dazu, Scham zu vermeiden.
  • Es gibt eine Phase im Leben der Kinder, wo sie Lügen als «Problemlöser» einsetzen: Das Lügen empfinden sie weniger schlimm als das Getrenntsein von den Eltern bzw. die Vorwürfe, Beschämung oder Strafe. Kurzfristig verbessert eine Lüge deshalb scheinbar die Situation. Solche Kinder können noch nicht voraussehen, dass es auf lange Sicht schwierig ist und Konsequenzen hat.
  • Besser, als mit Strafen das Lügen zu verhindern, ist es, Druck wegzunehmen und das Schuldbewusstsein der Kinder zu entwickeln. «Es ist wichtig, dass ihr zu einem Fehler steht!»
  • Erst später, wenn das Schuldbewusstsein der Kinder vorhanden ist, kann eine Strafe dieses Schuldbewusstsein bedienen.

 

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Info 17-02 "Wahrhaftigkeit"

In einer Zeit, wo die Mächtigsten der Welt mit «alternativen Fakten» operieren, lohnt es sich zu fragen, ob denn Ehrlichkeit etwas ist, was anerzogen wird, oder ob es zum Menschen gehört. Was wir alle wissen: Wir mögen es nicht, angelogen zu werden. Das ist unabhängig von Glaube und Kulturkreis. Es ist aber ein grosser Unterschied, ob wir von den «Unseren» angelogen werden oder von den «Anderen». Deshalb wohl schmerzt es uns, wenn ein Kind uns belügt. Und es ist für ein Kind auch besonders schlimm, wenn wir seinen Aussagen nicht trauen und es der Lüge bezichtigen und wohl auch, wenn es von den Eltern belogen wird. Unser natürliches Gewissen sagt uns nämlich: Unter uns sagen wir die Wahrheit - nach aussen hin je nachdem… Unehrlichkeit im engsten Kreis ist deshalb eine grosse Verletzung. Sie hat die Qualität von Verrat.

Wenn du also feststellst, dass dein Kind dich belügt, dann erkenne dahinter, dass die Beziehung bedroht ist. Das fehlende Vertrauen untereinander sollte dann beklagt werden, nicht nur das Defizit des Kindes. Wenn wir einem solchen Ereignis schwerwiegende Bedeutung zumessen, und dazu rate ich entschieden, dann sollte es weniger um Schuldzuweisungen gehen als um eine Erneuerung des Vertrauens. Die Wahrhaftigkeit ist manchmal schmerzhaft. Das sollten wir unseren Kindern vorleben. Nach innen sowieso und als Christen auch den «Anderen» gegenüber. 

Der Infobrief im nächsten Monat könnte etwa so heissen: «Zwei Nabelschnüre». Vielleicht hast du Lust zu raten, welche es da noch zu durchtrennen gilt. 

Talk über das Monatsthema

 

Livesendung vom 27. Februar 2017

 

  • Verhalten ist Beziehungssache! Die Beziehung wird auch deutlich bei der Wahrhaftigkeit.
  • In Bezug auf die Eltern oder andere Bezugspersonen ist es wichtig, wie die Beziehung zum Kind ist. Noch wichtiger aber ist, wie die Beziehung vom Kind zu seinen Bezugspersonen ist!
  • Wenn das Kind auf der tiefsten Bindungsstufe an mich gebunden ist (mit frühestens sechs Jahren möglich), dann fühlt sich das Kind gedrängt, es ist ihm ein grosses Anliegen, dass ich es kenne. Es hält es fast nicht aus, vor mir kein offenes Buch zu sein. Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Kinder fühlen sich dann gedrängt, die Wahrheit zu sagen.
  • Die Verletzung durch Unwahrheit - hindert das Kind.
  • Eine Ehrlichkeits-Kultur in der Familie ist wichtiger Punkt. Wie geht man in der Familie mit Ehrlichkeit um? Wenn innerhalb der Familie Wahrhaftigkeit nicht gelebt wird, wird es sehr schwierig.
  • Ein Kind neigt eher dazu, die Wahrheit zu sagen, aber Eltern müssen feinfühlig mit dem Kind umgehen, wenn es die Wahrheit sagt. Und wir müssen als Eltern darauf achten, dass die Beziehung nicht unter unserer Reaktion leidet.
  • Frage vom Chat: Müsste das Kind nicht immer die Wahrheit sagen, auch wenn die Beziehung nicht so tief ist? Antwort: Bei einigen Familien wurde die Wahrheit sehr eingeprägt - allerdings geht es oft mehr um textliche Wahrheit als um Wahrhaftigkeit. Dann kann man die Wahrheit verdrehen. In unserer Kultur sind gewisse Dinge sehr schlimm und andere weniger. Diejenigen, die man sieht, sind schlimm (textliche Lüge) und diejenigen, die man nicht sieht, sind weniger schlimm.
  • Teilweise lügt ein Kind, damit es nicht gedemütigt wird.
  • Wie kann man Kind vermitteln, dass es nicht lügen soll? Antwort: Bei kleinen Kindern kann man eine emotionale Geschichte erzählen und aufzeigen, wie schmerzhaft eine Lüge sein kann, bzw. aufzeigen, wie wichtig die Wahrheit ist. So spricht man über andere Menschen (Verfremdung) und Kinder können sich hineinfühlen, ohne gedemütigt zu werden.
  • Wie kommt man aus der Lügenspirale heraus, wenn die Kinder viel lügen? Antwort: Eine Join-up-Intervention wäre hier eine Möglichkeit. Dass man mit dem Kind in einem guten Moment dieses Thema bespricht und Abmachungen diesbezüglich trifft.
  • Telefonanruf: Der Sohn (8-jährig) hat einen imaginären Freund und eine rege Fantasie. Er kann zwischen Fantasie und Wahrheit keinen Unterschied machen. Er ist der Jüngste und hat fünf Geschwister. Antwort: Kinder möchten hin und wieder etwas Besonderes sein, und wenn sie das Gefühl haben, sie könnten nichts vorweisen, dann erfinden sie vielleicht etwas. Der Junge könnte ein tiefes Bedürfnis haben, etwas Besonderes zu sein, und es aber nicht fühlen, dann kann es sein, dass das zu einem Druck wird, im Zentrum zu stehen. Es sollten Möglichkeiten geschaffen werden, wo er etwas Besonderes ist und heraussticht.
  • Ein Kind hört eine Lüge von einem anderen Kind und das glaubt sie. Die Eltern wissen, dass das nicht stimmt. Wie geht man damit um? Antwort: Grundsätzlich ist es wichtig, dass wir Eltern ehrlich, wahr, wahrhaftig sind. Und dann kann man das der Tochter auch so vermitteln. Zum Beispiel folgendermassen:  «Ich glaube dir, dass dir deine Freundin das so erzählt hat, aber mich dünkt das komisch. Vielleicht irrt sie sich oder hat das falsch verstanden. Mir ist einfach wichtig, dass du weisst, dass mir das komisch vorkommt.» Vielleicht ist es schwierig für das Kind, aber wir können das Kind nicht vor allen Schwierigkeiten bewahren.

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Info 17-01 "Tschuldigung"

Soll man - oder soll man nicht - die Kinder dazu erziehen sich zu entschuldigen, wenn sie sich schuldig gemacht haben? Die Meinungen gehen weit auseinander.
Ich schlage folgenden Gedanken vor: Kinder sollten sich nur ent-schuld-igen, wenn sie sich schuldig fühlen. Wird ein Kind gezwungen sich zu entschuldigen, könnte es sein, dass es auf eine - je nachdem beabsichtigte - Demütigung hinausläuft. Ein Kind soll so lernen, was die Erwachsenen als schuldhaft empfinden. Aber wollen wir unsere Kinder wirklich dazu erziehen zu heucheln bzw. zu lügen, einfach um uns und andere zufriedenzustellen? Aus meiner Sicht wäre es weniger schädlich, eine Wiedergutmachung zu verordnen als eine Entschuldigung.
Ich glaube, dass der Schöpfer einen anderen Weg vorgesehen hat:
Bei reifen Kindern - im Idealfall ab etwa sieben Jahren - dürfen wir auf Empathie hoffen. Ein Kind kann seine eigene Sichtweise auftun und jene eines anderen einbeziehen, sich also in sein «Opfer» einfühlen, freilich erst, wenn die aggressiven Gefühle abgeklungen sind. Ein Schuldbewusstsein stellt sich je nachdem fast von alleine ein. Sonst können wir ein Kind, das uns vertraut, in diese Richtung führen. Aber es gilt, dieses Schuldbewusstsein zu fühlen, bevor man über die Bewältigung nachdenkt.
Bei kleineren Kindern gilt es, ihre fürsorglichen Gefühle zu wecken, eine Art Trauer über das, was seinem Opfer passiert ist. Kleinere Kinder empfinden das Sich-Entschuldigen dann zunächst als eine Art des Tröstens. Ebenso die Wiedergutmachung, beispielsweise durch eine Zeichnung oder durch das Überlassen eines Spielzeugs. Auf einer verbalen Entschuldigung zu beharren, halte ich für wenig hilfreich. Je kleiner Kinder sind, desto schneller verlieren sie ihre Verantwortung aus den Augen, wenn sie sich auf den Schmerz des anderen einlassen.
Wenn es dir geht wie mir, dann lässt dieser Text viele offene Fragen zurück. Einer wollen wir - wenn nichts dazwischen kommt - im nächsten Infobrief nachgehen, der Frage nämlich, wie sich das Gewissen eines Kindes formt.

Talk über das Monatsthema

 

Livesendung vom 30. Januar 2017

Diverse Themen

  • Das erste Videoseminar stiess auf Begeisterung und wird allen empfohlen. Vor und während des Seminars schauen sich die Teilnehmer die Seminarvideos an. An drei Skype-Sitzungen werden die Erkenntnisse dann vertieft und in die Praxis übertragen. So werden die Vorteile von DVD-Seminar (Lernen zu Hause) und Live-Seminar (Austausch) vereint.
  • Situation von Silvia: Sie und ihr Mann versuchten, mit ihren Kinder anhand des selbständigen Anziehens eine Join-up-Intervention durchzuführen. Bei der Neunjährigen funktioniert es super, beim Siebenjährigen ist es sehr schwierig. Ist der Jüngere zu jung für eine Join-up-Intervention? Ihr siebenjähriger Sohn könnte noch zu unreif sein. Die Ältere kann sich an Regeln halten, weil sie schon reifer ist. Sie versteht es schon besser. Als die neue Regeln vorgestellt wurden, fand es die Ältere toll, der Jüngere war nicht so begeistert, er wollte sich einfach weiterhin in der Nähe der Mutter anziehen. Vermutlich war es für ihn zu wenig einleuchtend, und dass er es auch will, ist für ihn nicht so relevant. Beim Join-up geht es in erster Linie um die Beziehung. Vermutlich kommt es ihm eher als Strafe vor, dass seine Eltern ihm nicht mehr beim Anziehen helfen wollen. Und Silvia sollte darauf achten, ob er wirklich schon genug reif ist dafür. Je grösser die Sache, desto schwieriger für ihn.

 

Tschuldigung

  • Ein Kind tut etwas, was es nicht soll, und die Erwartung der Eltern ist, dass das Kind sich beim anderen entschuldigt. Das Kind macht das meistens sehr widerwillig. Wenn das Kind sich nicht schuldig fühlt und sich einfach entschuldigt, dann kommt die Entschuldigung auch nicht beim Gegenüber an.
  • Meistens ist es für ein Kind nur eine Blossstellung, wenn es sich so entschuldigen muss. Löst etwas anderes aus, als wir wollen. Löst Schamgefühl (Peinlichkeit) aus und zeigt dem Kind nicht, dass es das andere Kind vielleicht verletzt hat.
  • Dem Kind aufzeigen, was es mit dem anderen Kind gemacht hat, wie sich das andere Kind dabei fühlt - das können wir als Eltern machen.
  • Wenn das Kind wirklich spürt, dass es einen Fehler gemacht hat, und es ihm leid tun, dann ist die Entschuldigung echt.
  • Wenn ich vom Kind eine Entschuldigung einfordere (es beschäme), dann löse ich beim Kind zuerst eine Verteidigungsposition aus. Je mehr ein Kind unter Druck kommt, desto weniger wird es diese weichen Gefühle - Schuldbewusstsein, Empathie, Fürsorglichkeit - für sein Opfer empfinden.
  • Darum ist es wichtig, dass wir nicht mit aggressiven Gefühlen auf ein Kind losgehen, sondern tendenziell mit Besorgnis. Keine Anklage oder Beschimpfung.
  • Wie können wir Kinder dazu führen, die Verantwortung zu übernehmen? Nicht als Reaktion aus Angst vor einer Strafe, sondern weil sie Verantwortung spüren und diese Verantwortung nicht beschämend ist. Wichtig ist, dass das Kind spürt, dass Eltern von der Situation betroffen sind.
  • Situation von Michal: Wie reagieren, wenn ein jüngeres Kind (hier 2 ½) etwas vom älteren Geschwister kaputt gemacht hat und dabei kein Schuldgefühl empfindet? Das Grössere nahm die Entschuldigung nicht an. Es ist wichtig, dass die Ältere ihrer Trauer Raum geben kann. Am besten weinen. Nicht einfach auf gestellte Forderungen eines wütenden Kindes eingehen, sondern es das Gefühl durchleben lassen. Der Jüngere sollte die Schwester zuerst in Ruhe lassen und die Eltern sollten mit ihm zu einem späteren Zeitpunkt die Situation noch einmal aufgreifen.
  • Chatnachricht: “Was hält man von Bestrafung?”:  Eine Strafe sollte immer mit dem Schuldbewusstsein des Kindes übereinstimmen. Wenn das nicht so ist, dann versteht es das Kind nicht. Heinz rät tendenziell davon ab. Situation lieber offen lassen. Eher von Wiedergutmachung sprechen.
  • Situation von Corina: “Wie kommen wir zur Trauer?” Ihr vierjähriger Sohn reagiert auf Frustration mit Wut. Die Wut muss raus, und sie versucht ihm zu helfen die Wut abzubauen. Müsste einfach die Trauer raus? Kommt die später? Er ist noch zu klein, um seine Wut zu kontrollieren. Wenn er älter wird, könnte Corina mit ihm darüber sprechen und ihm erklären, dass er die Wut nicht einfach in der Öffentlichkeit ausleben kann und seine Mutter ehren sollte. Aber erst mit ihm reden, wenn sich die Situation beruhigt hat. Er kommt zur Trauer, wenn die Aggression ausgedrückt worden ist. Das braucht Zeit und unter Anklage findet er die Trauer nicht.

Teil 1

Teil 2

 

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Info 16-12 "Traditionen"

Hast du auch schon gestaunt darüber, dass Kinder Geschichten manchmal x-mal hören wollen? Ich glaube, dass Kinder es einfach geniessen, wenn in unserer flackernden, grellen und schwer zu durchschauenden Welt etwas vorhersehbar ist. Scheue dich deshalb nicht, die Weihnachtsgeschichte jedes Jahr zu erzählen. Erzähle sie so wie beim ersten Mal und du wirst staunen, wie alle davon berührt werden. Jedes Jahr dürfen wir neu mit Maria erschrecken über die Ankündigung. Und wie jedes Jahr dürfen wir mit den Hirten staunen darüber, dass es ausgerechnet sie waren, denen der Engel die Geburt Jesu ankündigte. An Weihnachten braucht es keine Abwechslung, auch nicht so sehr kreative neue Einfälle, sondern die schlichte Besinnung auf das immer gleiche Wunder, an das wir denken wollen - auch wenn wir wissen, dass das Datum so wenig damit zu tun hat wie der Tannenbaum.
Ich möchte uns deshalb ermutigen, dem Zeitgeist, der nach Abwechslung schreit, mutig die Stirn zu bieten und deinen Kindern eine immer wiederkehrende vorhersehbare Weihnachtstradition zuzumuten. Besinne dich auf deine eigenen Kindheitserfahrungen. Wie traurig wäre es, wenn man plötzlich neue Weihnachtsguetzli entwickeln würde. Ich bin überzeugt, es braucht weder neue Lieder noch ein anderes Menü als letztes Jahr.

In diesem Sinn wünsche ich dir und deinen Lieben ganz «gewöhnliche» Weihnachten.

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Info 16-11 "Schneller, besser, klüger, schöner..."

«Wer zuerst im Badezimmer ist, dessen Zähne werden zuerst geputzt!» Konkurrenzsituationen sind dynamisch, und es ist sehr verführerisch, diese Dynamik in der Schule, im Familien- oder Erziehungsalltag als Motivation und Antreiber zu benutzen.
Wenn ein Kind oft genug hört, wie toll und gut es Lego bauen kann, stehen bald nicht mehr das Interesse am Spielen selbst und die Faszination an den verschiedenen Möglichkeiten im Vordergrund, sondern der Wunsch, für das Tun gelobt zu werden und besser zu sein als die anderen.
Leider sind wir uns oft nicht bewusst, dass Konkurrenzsituationen - oft ausgelöst durch Lob - nicht nur die edlen Beweggründe der Kinder hin zu egoistischen Motiven verändert, sondern auch eine Form von Druck auslöst: Das Kind spielt nicht mehr unbeschwert und mit Freude, sondern möchte es das nächste Mal mindestens ebenso gut machen, um ein Lob zu erhalten oder um wenigstens nicht schlechter zu sein als die Kinder um es herum. Dieser Druck behindert unsere Kinder in ihrer Reifung. Um sich optimal zu entwickeln und ihr volles Potenzial auszuschöpfen, brauchen sie ein warmes Nest voller Ruhe, Sorglosigkeit und Unbeschwertheit oder - anders ausgedrückt - ein Leben voller Kooperation.
Im freien Spiel entdecken Kinder ihre Welt, entwickeln ihre Fähigkeiten und erweitern das persönliche Denken. Im Alltag und - sobald Kinder ein Gefühl für Regeln entwickeln - in kooperativen Spielen können wir unseren Kindern die Vorteile der Zusammenarbeit und das Schöne und Gewinnbringende am Miteinander vor Augen zu führen.
Aber wie sollen unsere Kinder fähig werden, mit Wettbewerbssituationen umzugehen und den Konkurrenzdruck auszuhalten, wenn wir sie davor bewahren? Die Frage ist hier nicht, ob sie in Konkurrenzsituationen kommen werden, sondern nur wann. Im Umgang mit anderen Kindern, spätestens aber in der Berufs- oder Partnerwahl werden sie mit «Knappheit» konfrontiert werden und damit verbunden der Konkurrenz nicht mehr ausweichen können.
Sobald Kinder gereift sind und auch verlieren können - etwa ab dem Schulalter - gilt es deshalb, Kinder spielerisch auf den «Ernstfall Leben» vorzubereiten. Im Spiel können sie gefahrlos ihre Fähigkeiten erproben, sich mit den eigenen Vorzügen und Kompetenzen, aber auch mit ihren Grenzen auseinandersetzen. Sie müssen lernen, Niederlagen auszuhalten. Sie sollen fähig sein zur Konkurrenz, aber - keine Lust dazu verspüren!

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Livesendung vom 28. November 2016

Offene Fragen aus der letzten Sendung
Junge (5 ½) kommt nach Aufforderung oft nicht an den Esstisch.

  • Kind bereits ins Kochen und Tischdecken einbeziehen. Dabei dem Kind etwas zutrauen, so fühlt es sich als nützlicher Teil der Familie.
  • Alternativ das Problem proaktiv angehen: einerseits durch Aktivieren der Bindung, andererseits durch Vorankündigung des Essens.

Junge (2) tritt, beisst, kneift und schlägt regelmässig Eltern, Bezugspersonen und andere Kinder:

  • Kleinkinder planen nicht, sondern handeln instinktgesteuert. Aggressive Kleinkinder sind frustrierte Kinder.
  • Auf Trennungsstrafen (stiller Stuhl) verzichten. Sie vermehren Frust und Aggression.
  • Kind in die Betreuung des dreimonatigen Geschwisters einbeziehen.
  • Bei Angriffen Hände des Kindes festhalten: «Das dürfen die Hände nicht!» Klare Grenzen setzen, ohne feindlich aufzutreten.
  • Schreien, «stämpfele» usw. sind angemessene Formen, um Frust auszudrücken, ohne jemandem zu schaden.
  • Die bessere Alternative zur Wut ist das Weinen. Vielfach neigen wir dazu, das Weinen zu unterdrücken anstatt es gemeinsam auszuhalten.
  • Je schlechter ein Kind sich benimmt, desto näher soll es die Bezugsperson zu sich nehmen.
  • Alle Kinder (und Erwachsenen) brauchen Aufmerksamkeit. Das Verhalten von Kindern generell als Einfordern von Aufmerksamkeit zu deuten, ist respektlos. Das Wort «Provokation» setzt einen Plan voraus. Kleine Kinder können nicht bewusst provozieren, weil sie noch nicht empathisch sind. Allenfalls probieren sie gewisse Verhaltensweisen aus.

Schneller, besser, klüger, schöner…
Es gibt zwei Grundverhalten: den Konkurrenz- oder den Kooperationsmodus. Je nach Lebenssituation können beide Modi richtig sein. Wer zum Beispiel auf Brautschau oder Arbeitssuche ist, befindet sich im Konkurrenzmodus. Die meisten Lebenssituationen wären aber auf Kooperation angelegt. Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist, dass die meisten Gesellschaftsspiele (z. B. «Eile mit Weile») die Konkurrenz fördern, während Kinder sich im freien Spiel meistens im Kooperationsmodus befinden. Durch Konkurrenz wird das Spiel zum Ernstfall. Eine Möglichkeit, die Kooperation zu fördern, sind kooperative Spiele.

Oft vermitteln wir den Kindern die Grundbotschaft: «Schau, dass du im Konkurrenzkampf gewinnst und nicht verlierst!» statt «Schau, dass du mit Menschen zusammenarbeiten kannst!»

In der Schule ist der Konkurrenzmodus der Normalfall. Die Bewertung und das Vergleichen werden wichtiger als die Sache selbst. Kreativität ist aber nur im Rahmen von Kooperation möglich.

Fragen zum Monatsthema
Einzelkind (5) muss sich als besser darstellen, sobald andere Kinder da sind. Die Mutter interpretiert das Verhalten als Unsicherheit.

  • Prahlen könnte als Alphasignal gegenüber jüngeren Kindern dienen. Je kleiner das Kind ist, desto wichtiger ist es, dass es in eine hierarchische Situation eingebunden ist. Das vermittelt ihm Stärke und Sicherheit.
  • Sobald ein Kind stärker sein möchte als ältere Kinder oder gar seine Eltern, ist das eine schwierige Situation. Ein Kind sollte die Unterordnung bei fürsorglichen Erwachsenen lernen, damit es nachher die kleineren Kinder ebenso führen kann. Wenn Erwachsene ein kleines Kind absichtlich gewinnen lassen, verwirren sie es in Bezug auf die Hierarchie.
  • Schüchternheit gegenüber fremden Kindern ist ein gutes Zeichen. Das Abwarten und Beobachten zeigt, dass das Kind an seinen Gefühlen dran ist. Es gibt Kinder, die wochenlang beobachten. Kinder sollten nicht frühzeitig dazu gezwungen werden, sich in die Gruppe zu integrieren.
  • Bei Alleinerziehenden ist ein Bindungsdorf noch wichtiger.

Wie bringe ich mein Kind (9) dazu, die Hausaufgaben zuverlässig und mit Fleiss zu erledigen?

  • Kleinkinder arbeiten noch nicht zielgerichtet, deshalb ist es bei jungen Schülern herausfordernder.
  • Wichtig ist, dass die Schulaufgaben die Beziehung nicht belasten.
  • Eltern sollten fürsorglich sein und sich anbieten zu helfen, aber keinen Druck machen. Die Verantwortung für die Hausaufgaben liegt beim Kind. Diese Richtigstellung der Bedürfnislage klärt die Hierarchie.
  • Schlechtere Schulnoten sind oft nur vorübergehend, bis das Kind aus eigenem Antrieb lernt.

Junge (5): Im Konflikt droht Kindergartengspänli mit Rache durch Vater.

  • Interaktionen im Kindergarten sind problematisch, weil die Kinder ausserhalb der hierarchischen Situation spielen.
  • Kindergartenkinder sind noch nicht empathisch.
  • Man kann gar nicht viel machen. Über die Kindergärtnerin könnte versucht werden, den Gleichaltrigenkontakt zu beschränken. Das Kind zu Hause auffangen, trösten, zu Tränen führen…


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Info 16-10 "Kinder brauchen andere Kinder"

Wann tun Kinder einander gut? Wann nicht? Wie kann ich das erkennen?
Diese Frage hat uns gestern an einem Privatseminar intensiv beschäftigt. Wer von euch hat nicht mit Freude «Die Kinder von Bullerbü» gelesen, geschaut oder gehört? Wie schön, wenn Kinder so zusammen im Spiel aufgehen können. Oder etwa nicht?
Dein Kind kann in einer solchen Gruppe gut aufgehoben sein, solange es nicht in einen Loyalitätskonflikt zu dir und anderen wichtigen Bezugspersonen gerät - anders gesagt, solange das innerliche Band zu dir als Mama oder Papa ihm auch im Zusammensein mit seinen Freunden Halt gibt. Schön ist es, wenn du die Freunde deines Kindes kennst, wenn du deshalb weisst, wie in der Gruppe Hierarchien entstehen und wie sie erhalten werden. Wenn dein Kind dort Machtkämpfe erlebt oder gar das Faustrecht gilt, ist das so lange nicht weiter tragisch, als es mit dir darüber sprechen kann. Auch das gehört zum Spiel des Lebens.
Handlungsbedarf besteht dann, wenn du merkst, dass dein Kind nicht mehr erzählen mag, was läuft, oder wenn du spürst, dass es zu dir eher auf Distanz geht, weil die Mitglieder der Gruppe wichtiger geworden sind.
Handlungsbedarf besteht auch dann, wenn du spürst, dass dein Kind in der Gruppe so viel Beziehungsstress hat, dass es sich verhärtet, um sich zu schützen.
Beobachte solche Entwicklungen sorgfältig und reagiere frühzeitig. Sei dir bewusst, dass dein Einfluss nur so lange besteht, als sich dein Kind vor allem an dir orientiert. Wenn du den richtigen Zeitpunkt verpasst, dann bleibt oft nur ein hässlicher Machtkampf.

Talk über das Monatsthema

Livesendung vom 31. Oktober 2016

Diverse Themen

  • Bei Zwillingen gibt es auch eine Hierarchie. Als Eltern sollte man die Hierarchie nicht bekämpfen, sondern gestalten.
  • Wenn ein Kind fordert und du als Elternteil machst das plötzlich nicht mehr, dann kann das ein heilsamer Schock sein. Wenn ein Kind sich überordnet und fordert, dann sollte man etwas ändern.

Kinder brauchen andere Kinder

  • Wenn ein Kind sich plötzlich an anderen Kindern orientiert statt an den Eltern, kann das ein Reifestolperstein werden.
  • Dass Kinder mehr auf Gleichaltrige hören als auf die Eltern, wird oft bagatellisiert: Das sei halt normal, vor allem bei Teenagern.
  • Kinder brauchen keine 23 gleichaltrigen Freunde. Freunde braucht man einen oder zwei, Kontakte braucht man mehr. Zu Kontakten hat man eine gewisse Distanz. Freunde lässt man näher ans Herz kommen. Kinder brauchen andere Kinder. Sie brauchen nicht viele, aber sie brauchen andere.
  • Woran merke ich frühzeitig, ob der Umgang, den mein Kind mit Freunden oder Gruppen pflegt, gefährlich oder hilfreich ist? Wie merke ich, ob ich den Einfluss auf mein Kind verliere? Woran merken wir frühzeitig, dass der Kontakt zu Gleichaltrigen hilfreich ist oder eben nicht?
  • Telefonanruf von Mutter: Ihr Kind hat kein Interesse an anderen gleichaltrigen Kindern. Ist das ein Problem? Ja, es ist ein Problem. Es gibt immer wieder Kinder, die sich zu Erwachsenen hingezogen fühlen, einfach weil Erwachsene einfacher zu handeln sind - sie sind nett, anständig und auch die Hierarchie ist klar. Bei Gleichaltrigen ist es viel aufreibender. Gleichaltrige ermöglichen ein Wechselspiel der Hierarchie. Es ist wichtig, dass das Kind das erleben kann. Eine Interaktion, die ein Kind lernen sollte - auf Augenhöhe mit dem Gegenüber umgehen können. Wenn es Möglichkeiten gäbe, eine Freundschaft mit einem Gleichaltrigem aufbauen zu können, wäre das gut.
  • Chat-Frage: Regeln und Sitten gehen vergessen, wenn Besuch im Haus ist. Sind die Besucherkinder hierarchisch übergeordnet? Kinder stehen vielleicht nicht hinter den internen Regeln, sind dann nicht im Join-up. 
  • Chat-Frage: achtjähriger Sohn will, dass die Mutter ihn in die Schule begleitet, aber er möchte dann nicht geherzt werden vor den anderen. Ist sein Selbstwert noch nicht so gut? Ja, das könnte sein. Wichtig ist, das Kind nicht dem Spott auszusetzen.
  • Schüchternheit ist etwas Gutes. Wenn Erwachsene falsch damit umgehen, ist das schwierig. Zum Beispiel dem Lehrer Mut machen, zu warten und dem Kind keinen Druck zu machen. Wie ist mein Kind im vertrauten Rahmen? Dort sollte es keine solche Schüchternheit haben, ansonsten müsste man dem Problem nachgehen.
  • Telefonanruf: dreijähriges Kind reagiert stark negativ auf Baby-Geschwister. In diesem Alter ist das Kind gerne in der Fürsorgerrolle und würde gerne Mutter helfen. Wenn die Mutter das Kind einbeziehen könnte, wäre das sehr gut für das dreijährige Kind und es könnte besser mit dem neuen Geschwisterchen umgehen. Das würde seinem Selbstwert guttut. Über das Baby zum Kind reden: «Du musst nicht weinen, dein grosses Geschwister macht das super.» Auf der Seite des grösseren Kindes bleiben.

 

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Info 16-09 "Was der Widerstand mit unseren Kindern macht"

Kein Zweifel, es ist mühsam für dich, wenn dein Kind nicht tut, was es soll, frech ist und immer das letzte Wort hat.
Für dein Kind sind die Folgen wohl noch tiefgreifender. Du kannst nämlich - wenn das Problem andauert -  jene Funktion nicht mehr richtig ausfüllen, die für dein Kind zentral ist: Du kannst ihm nicht mehr Geborgenheit und Sicherheit vermitteln. Die Folge ist, dass dein Kind unruhig ist und ständig auf der Suche nach verlässlichen Beziehungen. Viele Kinder übernehmen selber die dominante Rolle, oft auch im Umgang mit den Gleichaltrigen.
Nur ein Kind aber, das im abhängigen Modus gebunden ist, kann vom Schutz und von der Fürsorglichkeit der Eltern profitieren. Sobald es sich nicht mehr untergeordnet fühlt, steigt die Anspannung und die Unruhe. Das ist letztlich auch bei uns Erwachsenen so. Welcher Arbeitgeber erinnert sich in schlaflosen Nächten nicht dann und wann wehmütig an die Zeit, wo andere sich um die Bilanzen kümmerten.
Dieses Mail übrigens ist ein weiteres mit der gleichen Zielsetzung wie die letzten: Viele Eltern vergessen ob dem vielen Verständnis und der engagierten Einfühlung, wie wichtig es ist, im Alpha zu sein und zu bleiben. Vertrauenspädagogik ist nämlich absolut nicht antiautoritär - im Gegenteil: Autorität ist wichtig. Nur wenn ein Kind im abhängigen Modus gebunden ist, wenn es im Join-up ist, ist Raum da für die Reifung.

Talk über das Monatsthema

Livesendung vom 26. September 2016

Was der Widerstand mit unseren Kindern macht

    • Welche Konsequenzen hat es für ein Kind, wenn es im Widerstand ist?
    • z. B. Widerstand auf der «Egal-Schiene» oder wenn es immer nein sagt. Damit sind nicht Kinder gemeint, die dauernd feindlich gestimmt sind (anderes Thema).
    • Es sind Kinder gemeint, für die es nicht stimmt etwas zu tun was wir als Eltern ihm sagen.

 

  • Wenn wir als Eltern etwas sagen und das löst in meinem Kind tendenziell Ablehnung und Widerstand aus, was hat das für Konsequenzen für mein Kind?

 

  • 1. Konsequenz: Es löst in Eltern üble Gefühle aus. Kind merkt, dass es bei Eltern nicht gut ankommt und das kann sich hochschaukeln. Dann suchen wir als Eltern einen Ersatz für das, was wir Join-up nennen - wir üben Druck aus, schreien etc. und das Kind bekommt das Gefühl, dass sich Eltern nicht mehr über sie freuen können, wenn sie es sehen.
  • 2. Konsequenz: Es ist für das Kind eine Überforderung, an der Spitze der Hierarchie zu stehen. Ein Kind, das sich nicht im abhängigen Modus gebunden fühlt, ist dadurch unter Dauerstress. Viele negative Verhalten kommen aus dieser Situation bzw. Spannung heraus. Häufige Folge ist, dass Kinder schlecht schlafen. Das Kind fühlt sich nicht geborgen, sondern ist nervös und angespannt. Ein Kind kann nicht in den gesunden Schlaf fallen, wenn es nicht im Frieden ist.
  • Darum ist es so wichtig, dass das Kind hierarchisch untergeordnet ist.
  • Wir sprechen heute darüber, wie wir das Kind aus einer falschen Hierarchie herausführen können.
  • Viele Kinder haben den Eindruck: «Ich habe jederzeit ‹Zugriff auf den Bildschirm meiner Mutter›. Meine Mutter ist immer und jederzeit für mich da - und zwar nicht im Sinne eines Schutzes in der Not, sondern sie steht mir jederzeit zur Verfügung, damit sie mich unterhält, mir alle Hindernisse aus dem Weg räumt. Ich kann immer mit ihr sprechen und erhalte die volle Aufmerksamkeit.» Das ist gefährlich.
  • Wenn das Kind sich so verhält, reagieren wir als Eltern nicht mehr so, dass wir sagen: «Lass mich doch schnell in Ruhe. Ich telefoniere oder lese oder …», denn so fühlt sich das Kind weggewiesen, ist frustriert und wird noch mehr Druck ausüben. Denn es ist sich ja gewohnt, immer Vorrang zu haben. Das ist ein Hierarchiesignal. Man nimmt nicht die untergeordnete Position ein, wenn man ständig Aufmerksamkeit einfordern kann. Denn dann ist man sich gewohnt derjenige zu sein, der das Sagen hat. Empfohlen ist folgende Übung: Wenn ein Elternteil im Gespräch oder anderweitig beschäftigt ist und das Kind Aufmerksamkeit will, dann nimmt man das Kind nahe zu sich (so fühlt sich das Kind nicht abgewiesen, macht keine Trennungserfahrung durch), aber man macht weiter mit dem, womit man beschäftigt war (Telefon, lesen etc.). Die eigenen Pläne werden nicht durch das Kind über den Haufen geworfen. Man nimmt das Kind nahe zu sich und sagt: «Warte einen Moment.» Das Kind soll dann warten. Als Eltern weiss man, wie lange ein Kind warten kann, bevor es frustriert reagiert. Aber die Eltern bestimmen, wie lange das Kind warten soll. Das ist ein gutes Hierarchiesignal.
  • Ein wichtiger Punkt ist auch, die Hierarchie unter den Geschwistern zu beachten. Es ist wichtig, dass man nicht das ältere Kind vor dem jüngeren kritisiert.
  • Wenn das Kind die «Egal-Schiene» fährt, kann man darauf achten, wann das Kind etwas von mir will. Wie spricht das Kind mich als Elternteil an? Untergeordnet oder fordernd? Wir dürfen nicht dulden, wenn das Kind in einem falschen Tonfall mit uns redet.

 

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Info 16-08 "Gibt es ein Zuviel an Freundlichkeit? - Teil 2"

Wir haben im letzten Monat das Zuviel an Freundlichkeit thematisiert. Lies den Brief vielleicht nochmals nach, falls du ihn nicht mehr in Erinnerung hast. Sie sind ja alle hier abgelegt.
Vielleicht hast du Lust, bis am Montag die gleichen Gesetzmässigkeiten bei deinen Kindern zu beobachten. Es gibt die beiden Arten von Freundlichkeit auch bei ihnen: Die eine, die aus dem Herzen kommt und genährt ist von Fürsorglichkeit und Wohlwollen. Die andere stammt aus dem Wunsch, die Kooperation des kleinen Geschwisters zu gewinnen, es vielleicht schmeichlerisch dazu zu bringen, das ältere endlich in Ruhe zu lassen oder ihm etwas Attraktives zu überlassen. Vielleicht soll das gute Zureden auch den Unmut des Kleineren beschwichtigen und zwar so, dass die Mama nicht einschreitet.
Auch hier gilt: Freundlichkeit, die mit der Absicht daherkommt, das Gegenüber freundlich zu stimmen, ist ein Unterordnungssignal.
Je mehr die Hierarchie durcheinandergerät, desto weniger kann das kleinere Geschwister sich angemessen verhalten, und es verliert auch das gute Gefühl, von den älteren Geschwistern geliebt und beschützt zu werden.
Ein solches Verhalten, wo ein älteres Kind sich unterordnet, kann natürlich auch sinnvoll und angemessen sein. Ein schönes Beispiel haben wir gestern mit zwei Enkeln erlebt (er sechsjährig, sie dreijährig), die in einer wunderschönen Hierarchie friedlich zusammenleben. Er schwamm - flügelibewehrt - neben mir her und musste alles geben, das Ufer zu erreichen. Da kam die kleine Schwester mit einem Gummiboot daher. Er fragte ganz lieb: «Darf ich einsteigen, bitte?» Wieweit meine Anwesenheit da noch Einfluss hatte, weiss ich nicht, aber die Kleine überliess ihm ohne zu zögern grosszügig ihr Bötchen. Wie es herausgekommen wäre, wenn er ihr das Ding einfach entrissen hätte, können wir uns sicher alle vorstellen.

Talk über das Monatsthema

 

Livesendung vom 29. August 2016

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Info 16-07 "Gibt es ein Zuviel an Freundlichkeit?" - Teil 1

Ich verstehe es gut: In einer Welt, wo die Mächtigen die Ohnmächtigen unter Druck setzen, sie bedrohen und einschüchtern, hat ein Wort wie «Hierarchie» einen schlechten Geschmack. Dabei sind wir alle darauf angelegt. Wir alle brauchen Menschen, die für uns sorgen, und andere, um die wir uns kümmern dürfen. Und dies in wechselnden Rollen und Situationen.

Viele Kinder fühlen sich heute ungeborgen, weil ihre Eltern um ihre Gunst betteln, anstatt ihnen die eigene zu schenken. Kinder brauchen Eltern, die zu ihnen freundlich sind - sicher - aber wenn du als Mami oder Papi meintest, dass deine Kinder umso freundlicher werden, je liebevoller und herzlicher du bist, dann wäre das ein fataler Irrtum.

Freundlichkeit, die mit der Absicht daherkommt, das Gegenüber freundlich zu stimmen, ist nämlich ein Unterordnungssignal.

Kinder vertragen Unterordnungssignale der Eltern schlecht. Es raubt ihnen das Gefühl, bei starken Eltern sicher zu sein.

Freundlichkeit, die absichtslos ist, die der Liebe entspringt und die dein wirkliches Empfinden ausdrückt, stärkt deine Kinder. Sie werden es dann auch ertragen, wenn du einmal nein sagst oder deinen Unmut in einer Sache ausdrückst.

Talk über das Monatsthema

 

Livesendung vom 25. Juli 2016

Gibt es ein Zuviel an Freundlichkeit?

    • Es ist nichts Falsches, wenn wir als Eltern freundlich sind - Ziel ist ja auch, ein Vorbild zu sein, aber das Problem liegt darin, dass es eine Art Freundlichkeit gibt, die ein Unterordnungssignal ist.
    • Eltern erwarten, dass das Kind aus untergeordneter Position mit ihnen spricht. Nicht: «Mama ich will, tu das.»
    • Eltern erwarten Freundlichkeit vom Kind - keine Forderungen - weil sie das Gefühl haben, dass das nicht passt (instinktive Haltung).

 

  • Jemand in untergeordneter Rolle darf nicht einfordern, nicht befehlen und nicht drohen.

 

    • Was aber passiert, wenn Eltern ihren Kindern im untergeordneten Tonfall begegnen? Sie geradezu anflehen: «Bitte iss doch das - mir zuliebe.» Diese Art, im untergeordneten Tonfall zu bitten, ist für das Kind ein Problem. Es merkt, Mama und Papa sollten meine Sicherheit sein, mein Rahmen, wo ich mich frei entfalten kann - das erwartet das Kind.
    • Was geschieht, wenn genau das Umgekehrte passiert? Wenn das Kind in der übergeordneten Rolle ist?
    • Diese Art des Bittens ist ein Unterordnungssignal: «Räum doch bitte das Zimmer auf - mir zuliebe.», «Möchtest du das oder jenes?»

 

  • Die Kinder vertragen es schlecht, wenn Eltern ihnen Unterordnungssignale senden.

 

    • Was heisst das nun praktisch und konkret?

 

  • Es kommt nicht so auf den Ton an - es kommt auf den Gedanken an.
  • Wenn du denkst, dass du das Recht, sogar die Pflicht hast, deinem Kind Aufträge zu erteilen, dann fühle so, denke so und sage es wie du willst - es kommt bei deinem Kind so an, wie du denkst. Zum Beispiel:  «Bitte räum den Tisch ab.»
  • Der Gedanke ist das Zentrale.

 

    • Das ist wichtig, dass ich das Gefühl habe, dass ich der Versorger meines Kindes bin und ich mein Kind führen will.
    • Wenn Eltern Vorbehalte haben zu ihrer Leiterschaft, dann ist das schwierig.
    • Sei dir bewusst: Für dein Kind bist du die einzig richtige Mutter, der einzig richtige Vater.

 

  • Sprich nicht in untergeordnetem Ton. Flehe nicht, bitte nicht - sondern ordne an.

 

    • Selbstverständlich gibt es auch Situation, wo ich bitten soll. Zum Beispiel: «Darf ich bitte deinen Kugelschreiber ausleihen?» Das ist eine situativ untergeordnete Situation. Weil es ja auch nicht mein Stift ist. Das ist richtig so.
    • Sobald ich aber einen untergeordneten Ton gebrauche, wenn ich mein Kind führen soll, ist das nicht gut. Zum Beispiel: «Bitte bitte sei um 9 Uhr zu Hause. Sonst mache ich mir Sorgen.»
    • Aber wenn ich sage: «Ich möchte, dass du um 9 Uhr zu Hause bist.» oder «Bitte sei um 9 Uhr da!», ist das richtig.

 

  • Eltern sollten in der Position sein, wo sie Grenzen setzen sollen.

 

 

 

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Info 16-06 "Ohnmachtsgefühle"

Kennst du das Gefühl, das aufkommt, wenn ein Kind nicht tut, was du sagst? Wenn du das dringende Gefühl hast, etwas tun zu müssen, und weisst nicht wie? Wenn du das Gefühl hast verantwortlich zu sein, aber es fehlt dir der Einfluss? Es ist ein schmerzliches Gefühl und meist mischt sich noch Scham hinein, der Gedanke, ein Versager zu sein.

Als Eltern sind wir prädestiniert, uns so zu fühlen. Kein Wunder, dass wir versucht sind, unsere Kinder zu kontrollieren, um sie berechenbar zu machen.

Wenn du mit VP unterwegs bist, dann weisst du es: Dieses Gefühl gilt es auszuhalten, ja willkommen zu heissen. Es verweist dich an deinen Platz: nicht auf den des Töpfers, sondern auf den des Gärtners. Wir können und müssen unsere Kinder nicht machen, sie werden. Vergessen wir es nicht: Die Kinder brauchen deine Führung mehr als du ihren Gehorsam.
Sobald wir das Ohnmachtsgefühl nicht zulassen, laufen wir Gefahr, in der Aggression zu landen und wohl oft in der Resignation.

Je mehr du voraussiehst, ob dein Kind jetzt gehorchen kann oder will, desto besser kannst du dich schützen. Verzichte auf Befehle, die du nur unter grossem Aufwand durchsetzen kannst. Arbeite an der Beziehung. Wenn dein Kind im Join-up ist, dann fühlt sich der Gehorsam richtig an, sonst nicht. 

 

Livesendung vom 27. Juni 2016

Verschiedene Themen

  • Ein sensibles Kind trägt seinen Frust häufig nicht verbal nach aussen, sondern reagiert anders (Bsp. Atemnot = Ausdruck von Frustration).
  • Bei einer Join-up-Intervention kann man als Eltern ein Privileg entziehen - bis das Kind sich wieder kooperativ zeigt.
  • Gute Dinge werden nicht durch Zwang und Druck erreicht.
  • Wenn ein kleines Kind weint, weil es z. B. nicht schlafen will, muss man kein schlechtes Gewissen haben, weil man es ins Bett bringt. Man kann ein Stück weit mitleiden, aber es ist nichts Schlimmes daran, wenn das Kind einmal weinen muss - das ist sein Ausdruck, wie es sich gerade fühlt.

 

Ohnmachtsgefühle

    • Wir als Eltern müssen bereit sein, das Ohnmachtsgefühl zu ertragen. Es ist ein unangenehmes und schmerzliches Gefühl, welches man aushalten muss.
    • Wenn wir das Ohnmachtsgefühl aushalten, kommen wieder gute Ideen.
    • Wenn wir das Gefühl nicht durchhalten und mit anderen Tricks versuchen, das Ziel zu erreichen, und es auch nicht funktioniert, dann folgt häufig der Zorn. Der abrupte Übergang von Zureden zu Zorn schafft Unsicherheit, weil wir als Eltern für die Kinder unberechenbar werden.
    • Wir müssen lernen, die Ohnmacht anzunehmen und zu ertragen.
    • In einer solchen Situation könnte man wie folgt reagieren: “Es ist so, wie es ist - nicht so, wie ich es gerne hätte. Wir reden morgen weiter.”

 

  • Vertagen ist gut und hat eine gute Wirkung auf das Kind. Es weiss, Mami oder Papi sind nicht wütend, aber auch nicht zufrieden. Meine Eltern leiden, aber sie machen mir keine Vorwürfe.

 

  • Wenn ein Ohnmachtsgefühl aufkommt, kann man z. B. den Kindern sagen, dass man eine Runde mit dem Hund macht um nachzudenken, und so sagt man nichts im Zorn, was man später bereut, oder man macht etwas für sich selber.

 

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Info 16-05 "Die Krähen pfeifen es von den Dächern..."

Eine KV-Schülerin kurz vor dem Abschluss musste in die folgenden Sätze das richtige Tier einsetzen. Hier ihre Lösung:
«Ihn bringen keine zehn Schafe dazu, sich tätowieren zu lassen. Die Krähen pfeifen es von den Dächern…» und «Mich laust der Hund, jetzt hat auch sie ein Tatoo.»
Falls du selber zu den Leidtragenden gehörst, denen solche Redewendungen nicht mehr geläufig sind, hier die Auflösung: Pferde, Spatzen, Affe.
Wie kommt es, dass auch kluge Kinder diese Wendungen nicht mehr beherrschen? Ich meine es zu ahnen: Eine Sprache erlernt man nicht aus Sprachbüchern, Filmen oder Comics, und man kann solche Wendungen nur sehr kurzfristig (auf die Prüfung hin) auswendig lernen. Eine Sprache erlernt man von Menschen, zu denen man eine Beziehung hat. Moderner Unterricht lässt es immer weniger zu, dass Kinder ihren Lehrkräften beim Erzählen zuhören dürfen. Kinder lernen heute von Videos, von Bildschirmtexten, aus Büchern, aber seltener von Menschen, die ihnen etwas erzählen.
Die Beziehung zu diesen würde es ausmachen, ihre Betonung, ihr Blick, ihre Ausstrahlung. All das verdichtet sich in den Kinderherzen zu einer Sprache. Früher schon vergifteten oft Disziplinkonflikte solche Situationen. Später war es dann die Diffamierung des Frontalunterrichts als «lehrerzentriert».
Deshalb ist es umso wichtiger, dass ihr als Eltern und Grosseltern euren Kindern Geschichten erzählt. Vorlesen ist ja auch schön, aber halt nicht dasselbe. Erzähle doch mal aus deinem Leben. Lass dir Zeit dabei, beschreibe die Szenerie, die Düfte und Geräusche. Nimm dir die literarische Freiheit die Geschichte auszuschmücken, solange sie wahr bleibt. Noch spannender ist es, aus dem Leben deines Kindes zu erzählen. Zeige dazu anstatt die halbe Smartphone-Galerie nur ein einziges Bildchen und dann - erzähle! Lass die Kinder die Augen schliessen und male mit deinen Worten, erkläre und beschreibe. Geniesse es, wenn sie dir an den Lippen hängen, statt am Bein.

Talk über das Monatsthema

 

Livesendung vom 30. Mai 2016

    • Unser Wortschatz/Satzbau wird immer simpler und einfacher.
    • Unsere Sprache verliert an Differenziertheit.
    • Auch die indirekte Rede verliert sich.

 

  • Wie differenziert wir denken können - so differenziert können wir reden

 

    • Spracherwerb durch Erziehung
    • Die Kinder orientieren sich nur für kurze Zeit an den Eltern, danach orientieren sie sich an den Gleichaltrigen.
    • Die Komplexität/Ausdrucksweise bleibt mit sieben Jahren stehen, da die Orientierung sich verändert hat.

 

  • Sprachen: Alltags-Kommunikation und Erzählsprache
  • Es ist wichtig, dass wir wieder zur Erzählkultur zurückkehren

 

    • Wir sollen nicht nur Bilder erklären, wir sollen sie unseren Kindern erzählen.

 

  • Das Erzeugen innerer Bilder durch die Sprache ist sehr wichtig!

 

    • Wörter/Struktur/Grammatik haben einen enormen Einfluss auf unser Denken.

 

  • Unsere Kinder interessieren sich für unsere und ihre Geschichten

 

    • Jede Generation verliert Wörter, und es kommen nur wenige oder sehr allgemeine Wörter dazu.
    • Wörter gehen durch Nichtgebrauch verloren.
    • Frustbewältigung durch die Sprache wäre der Königsweg.

 

  • Es ist wichtig, dass unsere Kinder Gefühle formulieren können

 

  • Wer keine Trauer fühlt, kann auch keine Freude spüren.
  • Ein Kind, dem es nicht wohl ist, dessen Aufmerksamkeit ist nicht bei der Geschichte. Und das sollte ein Warnsignal für die Erwachsenen sein.
  • Kinder kriegen nicht genug von erzählten Geschichten
  • Es gibt verschiedenen Umsetzungen: Beispiel von Heinz Etter von den zwei Wassertropfen, wo der jüngere Tropfen vom älteren lernt. Bei Wanderungen, beim Zähneputzen - überall.
  • Die Sprache wird über die Bindung vermittelt.
  • Bei der Sprachentwicklung ist der Augenkontakt wichtig.
  • Geschichten in eigenen Worten erzählen, nicht direkt vom Hochdeutsch ins Schweizerdeutsch übersetzen.

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Info 16-04 "Es ist mein Zimmer!!"

«Hast du dein Zimmer aufgeräumt?» - «Nein, ich räume es auf, wenn es mir passt. Es ist mein Zimmer!» - «Solange du erst zwölf bist, bestimmen wir solche Dinge! Bevor dein Zimmer aufgeräumt ist, gibt es für dich kein Internet mehr!»

Solche Dialoge können sich auch in Familien abspielen, wo die Kinder grundsätzlich im Join-up sind. Namentlich, wenn es ums Thema «Aufräumen» geht. Es ist eines jener Themen, die oft mit Gegenwillen aufgeladen sind. Viele Eltern resignieren in diesem Punkt - um der Beziehung willen - oder sie führen einen endlosen Machtkampf in der Sache und strapazieren ihre Beziehung. Wie hört sich das Folgende für dich an, wenn du mit Simons Ohren hörst?

Wichtig: Wir warten auf eine Friedenszeit.

«Simon, was würde dir helfen, dein Zimmer in Ordnung zu halten? Ich möchte, dass dieser ewige Kampf ein Ende findet.» - «Lasst mich doch einfach machen. Es ist mein Zimmer.» - «Nein, Simon, es ist ein Zimmer, das wir dir gerne überlassen, weil du unser Sohn bist und wir für dich sorgen. Dazu gehört, dass wir nicht wollen, dass du in einem Chaos lebst, einzig deshalb, weil wir in dieser Sache dauernd im Streit liegen und die Unordnung dir regelmässig über den Kopf wächst. Wo siehst du das Problem, wenn dein Zimmer aufgeräumt ist?» - «Gar keins - das Aufräumen ist das Problem!» - «Okay, dann werden wir einen Weg finden.» 

Hier eine mögliche Entwicklung: 

«Ich helfe dir beim Aufräumen, und dann legst du jede Woche zwei Termine fest, wo dein Zimmer wieder im Zustand ist, den wir zusammen herstellen. Was meinst du dazu?» - «Hm, reicht nicht einfach einmal?» - «Wenn ich daran denke, wie schnell ein Chaos entsteht, scheint mir zweimal pro Woche das Mindeste. Seit ich selber täglich meinen Tisch aufräume, schaffe ich es, Ordnung zu halten.» - «Täglich?» - «Klug wäre es, aber mindestens zwei Termine pro Woche solltest du setzen. Weisst du was? Zu deiner Unterstützung werde ich dasselbe mit meinem Atelier machen! Und wenn wir es einen Monat lang durchziehen, gehen wir zusammen Pizza essen. Ich lade dich ein.» - «Hm, so könnte es direkt noch Spass machen.»

Talk über das Monatsthema

 

Livesendung vom 25. April 2016

  1.    Teil: Das ist mein Zimmer!

 

  • Ordnung u. a. in den Kindernzimmern ist wichtig

 

  • Kommunikation zwischen Eltern und Kindern wichtig. Auch wenn ein älteres Kind im Join-up ist und mit den Eltern ein gutes Verhältnis hat, kann es hin und wieder zu Machtkämpfen kommen. Ein Machtkampfthema ist oft die Unordnung im Kinderzimmer.
  • Wie geht man als Eltern am besten mit Unordnung im Kinderzimmer um?
    • 1. Man spricht das Thema in einer Friedenszeit an. Nicht wenn man ins Zimmer reinkommt und die Spannung sofort spürbar ist. Das Kind empfindet es dann eher als Nörgelei.
    • 2. Wenn das Kind damit argumentiert, dass es ‘sein’ Zimmer ist, können wir das Kind darauf hinweisen, dass es zwar sein Zimmer ist, aber das Zimmer in unserem Haus ist und darum auch in unserer Verantwortung.
    • 3. Besser die ‘Vision der Ordnung’ in den Raum stellen, als das Thema ‘Aufräumen’.
    • 4. Man kann auch eine Vereinbarung treffen: Wenn du das Zimmer aufräumst, werde ich in dieser Zeit die Garage aufräumen, und nachher gibt es Pizza. Oder: Du räumst jeden Tag das Zimmer auf und ich dagegen jeden Tag eine Schublade. Auch diese Vereinbarung kann nach gewisser Zeit nach gutem Gelingen mit einer Pizza gefeiert werden.

 

  1.    Teil: Kinder, die nicht beim Tischabräumen helfen:
    • Es ist schade, wenn wir die Kinder mit Druck zum Abräumen zwingen müssen.
    • Wie können wir als Eltern mit diesem Thema umgehen?
      • 1. Wir warten auf eine Friedenszeit. Wir pfeifen unsere Kinder nicht zurück zum Abräumen, sondern räumen vorerst selber ab.
      • 2. Im Gespräch mit dem ältesten Kind könnten wir es darauf aufmerksam machen, dass wir abgeräumt haben und dass wir es nicht so toll finden, die Kinder ständig auf ihre Aufgabe hinzuweisen. Wir stellen dem Kind die Frage, wie wir das ändern könnten? Wir übergeben z. B. die Verantwortung dem Ältesten und sagen ihm, er soll doch mit seinen kleineren Geschwistern eine Lösung finden, wie sie in Zukunft das Thema Tischabräumen behandeln möchten. Dass ein Elternteil hilft, ist gut, aber der Elternteil, der gekocht hat, sollte nicht auch noch aufräumen müssen. Als gutes Vorbild vorangehen. Wenn das ältere Kind eine Lösung mit seinen Geschwistern gefunden hat, kann man darüber sprechen, wie die Lösung aussieht. Auch kann bereits besprochen werden, wie man damit umgeht, wenn ein Kind sich seiner Aufgabe entzieht, z. B. dass es dann alles alleine machen muss.

 

  • Im Gespräch mit den Kindern immer respektvoll sein. So respektvoll wie wir mit ihm umgehen, so wird das Kind auch uns begegnen.

 

 

  1.    Teil: Diverse Fragen
    • Wenn ein Kind seine Eltern schlägt, sollte man nicht zurückschlagen. Wir müssen dem Kind zeigen, dass wir stark und vertrauenswürdig sind. Das braucht ein Kind, um sich geborgen und sicher zu fühlen. Wenn ein Kind schlagen will, sollte man die Hände des Kindes halten. Es darf und soll spüren, dass wir körperlich überlegen sind.
    • Wir sollten uns auch nicht aus Spass vom Kind dominieren lassen, z. B. bei einem Wettrennen. Wenn ein Kind sich stärker fühlt als seine Eltern, dann fühlt es sich ungeschützt. Wer beschützt es dann? Niemand fühlt sich beschützt, wenn es die Eltern prügeln kann. Ein Kind kann nur dann optimal reifen, wenn es sich sicher und geborgen fühlt.
    • Ein Kind dazu anzuregen, selber Lösungen zu finden, ist ab diesen Zeitpunkten möglich:
      • 1. Wenn das Kind reif genug ist
      • 2. Idealerweise mit 7 Jahren
      • 3. Wenn ein Kind sich seine Zukunft vorstellen kann. (Ein 3-Jähriger weiss nicht, was es bedeutet, jeden Tag den Tisch abzuräumen.)

 

  • Ultimaten und Drohungen gehören nicht in den den Kontext der Liebe.
  • Man sollte darauf achten, dass man den eigenen Willen nicht gegen das Rechtsempfinden des Kindes durchsetzt.
  • Konsequenzen, die vorher abgemacht wurden, sind am besten. 

 

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Info 16-03 "Er würde nur noch gamen!"

«Wenn ich ihn machen liesse, würde er nichts mehr anderes tun. Und wenn er dann zum Essen doch einmal hervorkommt, dann spricht er nur über sein Game. Ich kann es nicht mehr hören.»
So erzählte mir eine verzweifelte Mutter. Wer wollte ihre Besorgnis nicht verstehen! So ein 13-Jähriger kann einem das Leben schwer machen. «Ihm ist alles egal, solange er nur sein Spiel hat.»

Computerspiele sind in der Tat so interessant, dass man in den meisten Fällen nicht um eine Regelung herumkommt. Viele Spiele sind ja so angelegt, dass sie weiterlaufen, auch wenn der Deckel des Laptops geschlossen ist. Solche Spiele sollte man eher vermeiden.

Eine Sucht hingegen, wie in unserem Beispiel, ergibt sich nicht zwingend aus dem uferlosen Spielen. Für viele Kinder ist das reale Leben frustrierend und sinnlos. Die virtuelle Alternative zeigt uns, wonach sich ein Junge wirklich sehnt: Nach einem aufregenden, aber doch berechenbaren Ort, wo die Regeln klar, aber überschaubar sind. Sie sehnen sich nach einer Welt, wo man nach einem Fehler zwar verliert, aber nicht gedemütigt wird, wo jeder mehr oder weniger Erfolg hat und wo es andere gibt, die die Leidenschaft teilen, und man deshalb ein gemeinsames Thema und eine gemeinsame Vision hat. Was soll ein solcher Jugendlicher denken, wenn Mama nicht zuhören mag, wenn er davon spricht, was ihn fasziniert und begeistert?  
Es kann sein, dass es ihn bestätigt in seiner Überzeugung, dass nur das virtuelle Leben lebenswert ist. Dass die Erwachsenen ihn nur kritisieren und verändern, nicht verstehen oder gar lieben wollen.

Und dies würde ich dir raten, wenn du in einer ähnlichen Situation bist wie diese Mutter: Hör dem Jungen zu und freue dich über jede gewonnene Schlacht in seinem Spiel. Spüre sein Kämpferherz – das wäre dann wieder ein Stück Wirklichkeit. Überlege dir, ob sein Vater oder ein anderer Mann mit ihm in seinem Zimmer zum Beispiel eine neue Tapete montieren könnte, damit das wirkliche Leben auch ein bisschen farbiger wird, oder ob er gerne ab und zu etwas Feines kochen würde. Wie auch immer: Es ist wahrscheinlich hilfreicher, ins Leben zu investieren, als Süchte zu bekämpfen.

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Livesendung vom 28. März 2016

 

Zusammenfassung Livesendung

  1.    Teil: Computerspiele
    • Auch viele sonst unkonzentrierte und schnell abgelenkte Kinder können sich oft stundenlang beim Gamen konzentrieren - das heisst, das Kind kann sich eigentlich lange konzentrieren, auch wenn in der Schule gerade das Thema Konzentration schwierig ist.
    • Von Computerspielen können wir lernen, was ein Kind braucht: Jugendliche brauchen gute, bewältigbare Herausforderungen, die Erfolg versprechen und Gemeinschaft fördern.
    • Ein Grundbedürfnis von Jugendlichen ist das Kämpfen, Gefahren durchstehen.
    • Als Eltern kann man nicht einfach Computerspiele verbieten - lieber Computerspiele, als dass sie aus lauter Langweile sich groben Gefahren ausliefern.
    • Es bringt nichts Computerspiele zu verbieten. Aber es wäre wichtig, die Computerzeit einzugrenzen. (Je mehr wir das Spielen verbieten, desto attraktiver wird es.)
    • Aber der Durst nach Gefahr darf nicht vollständig von den Computerspielen gestillt werden. Wir als Eltern müssen wissen, wie wir den Durst der Jugendlichen im realen Leben stillen können. (Sobald ein Kind aber süchtig nach Computerspielen ist, ist das sehr schwierig. Der Verlust ist grösser und der Ausstieg aus der Sucht schwieriger - darum ist es wichtig zu reagieren, bevor eine tiefe Sucht vorhanden ist. Vor allem Jungs neigen zur Spielsucht. Vor allem die Spiele, die auch weiterlaufen, wenn das Kind aufgehört hat zu gamen, sind gefährlich. Dann hat das Kind das Gefühl, es verpasst etwas und sagt vielleicht später: “Oh wäre ich doch nicht zum Sport gegangen, dann wäre meine Festung noch unverwundet.”)
    • Wenn wir Grenzen setzten, u. a. bei Computerspielen, ist es wichtig, dass das Kind realisiert, dass die Eltern nicht gegen es sind, sondern auf seiner Seite.

 

  • Das Entscheidende ist zu wissen: Jugendliche haben das Bedürfnis zu kämpfen und tapfer zu sein, und sie versuchen, dieses Bedürfnis z. B. mit Computerspielen abzudecken.

 

  • Wenn das reale Leben zu ‘gezähmt’ ist und die Gefahr fehlt, dann ist dieses Bedürfnis nicht gestillt.
  • Jungschar, Blauring und Pfadi sind gute Orte, um dieses Bedürfnis abzudecken.
  • Ein anderer sehr empfehlenswerter Vorschlag ist, dass Väter mit anderen Vätern den Mut aufbringen und mit ihren Söhnen das Abenteuer suchen.
  • Je besser die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist, desto besser können die Söhne etwas von ihren Vätern annehmen und desto besser ist damit die Prophylaxe gegen
    z. B. Spielsucht
  • Wie machen wir das reale Leben wieder jungenkonformer? Durch die Computerspiele wird das wirkliche Leben verdrängt, das reale Leben wird immer unattraktiver, und die Spiele nehmen an Attraktivität zu.
  • Wir als Eltern dürfen die Computerspiele bejahen, aber mit einer genauen Anfangs - und Endzeit.
  • Ein Kind braucht Langweile, um kreativ zu sein, aber wenn Langeweile zum Computerspielen führt, ist das weniger gut.
  • Kinder kommen oft erst auf die Idee, was sie tun könnten, wenn man es ihnen vorgelebt hat. Z.B. seilen sie sich einmal mit dem Vater ab, und dann wollen sie das später auch alleine machen: Das heisst, der Raum muss zur Verfügung stehen und das Abenteuer vorgelebt werden.
  • Falls Eltern auch nicht ihre Abenteuer erleben konnten, kann man auch ungeniert jemand anders, der sich auskennt, involvieren und gemeinsam ein Abenteuer bestreiten.

 

  1.    Teil: Diverse Fragen
  • Bei Auseinandersetzungen das Kind aufs Zimmer schicken, ist keine gute Lösung. Für das Kind ist es eine Katastrophe, denn in diesem Moment braucht es am meisten Nähe in seiner Not. Es wäre besser, wenn der involvierte Elternteil sagt, dass er schnell rausgeht und gleich wieder kommt.
  • Je besser ein Ausraster bewältigt werden kann, ohne dass das Kind aufs Zimmer geschickt werden muss, desto besser, denn sonst wird daraus ein Teufelskreis.
  • Je mehr ein Kind verunsichert ist, ob es geliebt ist und die nötige Nähe erhält, desto eher reagiert das Kind mit Dominanz.
  • Dem Kind immer wieder Nähe geben, die es braucht, und die Sicherheit und Geborgenheit
  • Frustrationsquelle herausfinden

 

 

 

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Info 16-02 "Dankbarkeit, ein Gefühl, das zufrieden macht"

Wir wissen es alle: Wir haben es vergleichsweise gut und sollten demnach dankbar sein. Viele danken vor dem Essen, weil sie erkannt haben, wie wichtig es ist, sich das immer wieder bewusst zu machen. Nun, das Bewusstsein löst erst dann Dankbarkeit aus, wenn ich selber sie suche. Anerzogenes oder gar aufgezwungenes Danke-Sagen wirkt eher in der falschen Richtung, sonst wären wir wohl die dankbarste Generation. Wir danken nicht selten tausendmal auf einen Schlag oder mindestens vielmals…  
Wie aber kommen wir zum Gefühl der Dankbarkeit, das ja viel mit Freude zu tun hat? Wenn wir einem Kind etwas schenken, suchen wir ja dieses und kein aufgesetztes Danke. Schon gar nicht wollen wir dem Kind das hässliche Gefühl der Dankbarkeitspflicht aufbürden.
Alles, was selbstverständlich ist, löst bei uns keine Dankbarkeit aus. Alles, was uns zukommt, wo wir denken ein Recht zu haben, ebensowenig. Ein Kind, das das Recht hat, von dir mit dem Auto zur Schule gebracht zu werden, wird nicht dankbar sein. Eines, das denkt, es habe das Recht, dass du dir täglich den Kopf zerbrichst, was ihm Spass machen könnte, wird höchstens unglücklich sein, wenn es dir nicht gelingt. Es wird sich elend und als Opfer fühlen, wenn der Nachmittag langweilig ist, und dir Vorwürfe machen.
Ich denke, es ist wichtig, dass wir in unseren Familien eine klare Sicht dafür bekommen, wofür es ein Recht gibt und was uns fallweise zukommt, weil jemand uns aus freien Stücken etwas Gutes tun will. Das gilt für Kinder und Erwachsene. Wenn alles Pflicht ist, stirbt die Dankbarkeit und damit die Lebensfreude.
Eben merke ich, wie unser letzter Infobrief mit diesem zusammenhängt. Nein, es gibt kein Recht darauf, dass jemand uns liebt. Liebe, die Pflicht ist, ist keine. Lasst uns alle umso dankbarer sein für jene Liebe, die wir geschenkt bekommen.

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Livesendung vom 29. Februar 2016

 

Zusammenfassung Livesendung

1. Teil: Dankbarkeit

    • Dankbarkeit ist ein gutes, schönes und positives Gefühl, wenn es echt ist
    • Verpflichtete Dankbarkeit ist unangenehm
    • Man kann ein Kind nicht dankbar stimmen - durch Appell erreicht man das Gegenteil
    • Google Beispiel: Arbeitnehmer viel Freiheit - nach 6 Jahren war Freiheit für viele Arbeitnehmer eine Selbstverständlichkeit - ausser für diejenigen, die dankbar waren
    • Verknappung hilft, sich aus dem Fluch der Selbstverständlichkeit zu befreien
    • Sich freiwillig etwas für eine gewisse Zeit zu entziehen hilft, es wieder zu schätzen
    • Überfürsorglichkeit führt nicht zu Dankbarkeit - den Mittelweg finden
    • Dankbarkeit kann man nicht einfordern, man kann sie aber vorleben!
    • Zentral ist Vorbild der Eltern. Dankbare Eltern sind das beste Tool
    • Ein Kind sollte permanent das Gefühl haben willkommen zu sein
    • Danke sagen ist eine gute und höfliche Gewohnheit. Aber mit einer guten Gewohnheit kann man keine Dankbarkeit erzeugen. Aber Kinder können negativ auffallen, wenn sie diese Anstandsregeln nicht gelernt bekommen haben
    • Man sollte dem Kind nichts schenken, damit es einem dankbar sein muss. Durch die Dankbarkeitspflicht kann es die Freude am Geschenk verlieren
    • Was ein Kind dankbar aufnimmt, bleibt auch länger hängen (z. B. Schule)


2. Teil: Diverse Fragen

    • Grösseres Kind braucht Legitimation der Eltern, dass es sich beim jüngeren Geschwister durchsetzen darf (ohne Gewalt)
    • Kind (3.5 Jahre) ruft nachts nach Mami und schreit umso mehr, wenn der Papi kommt. Kinder rufen primäre Bezugsperson. Könnte helfen, dass der Vater vor dem Einschlafen präsent ist.
    • Phänomen vom Übermut. Bedeutet Kontrollverlust vom Kind. Mit einem Kind in Übermut kann man nicht reden, belehren - man sollte Kind auf friedliche Art dominieren, z. B. die Hände halten - also körperlich eingreifen. Die Übermut ist keine böse Absicht vom Kind. Wichtig: früh eingreifen, z. B. Situation wechseln, in den Arm nehmen und Raum verlassen
    • Kind nicht wegstossen, wenn es sich schlecht benimmt - sondern es zu sich ziehen
    • Ältere Kinder, die nichts mit sich alleine anfangen können: Langeweile aushalten, mit ihnen in die Natur gehen und ihnen ohne Druck Freiraum geben. Natur hilft Emergenz (= das Auftreten qualitativ neuer Eigenschaften) zu entfalten. Müssen nichts leisten, um sich angenommen zu fühlen 
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Info 16-01 "Gibt es ein Recht geliebt zu werden?"

Wer kennt ihn nicht, diesen Schmerz: Da bin ich liebenswürdig und nett, und mein Gegenüber zeigt mir die kalte Schulter. Je unreifer Menschen sind, desto ungeschminkter kann eine solche Zurückweisung dann daherkommen.
Viele Kinder werden mit einer gefährlichen Idee infiziert: Wenn ich nett bin zu den Menschen, dann habe ich ein Recht darauf, dass andere auch nett sind zu mir. Das Sprichwort verspricht es ja: «Wie man in den Wald ruft, so kommt es zurück.» Nun ist das Sprichwort nicht einfach falsch, aber eine gefährliche Falle, wenn ich daraus statt einer Wahrscheinlichkeit ein Recht ableite und deshalb Gefahr laufe, frustriert zu sein oder gar in die Bindungsumkehr zu geraten, wenn meine Erwartung sich nicht erfüllt. Nein, es gibt zwar das Gebot zu lieben, aber kein Recht, dass Zuneigung immer erwidert wird.
Wenn dein Kind also nicht von allen Kindern geliebt wird, dann überlege dir gut, ob es nicht wichtig wäre ihm zu sagen, dass es jenen aus dem Weg gehen darf, ja soll, bei denen die Chemie nicht stimmt.
Ich bin überzeugt, dass es wichtig ist, jene feinen Zeichen lesen zu lernen, die sagen: «Ich möchte dich nicht verletzen, aber ich möchte mit dir keinen näheren Kontakt.» Eine solche Botschaft braucht keine Begründung, weil wir selber oft gar nicht wissen, warum das so ist. Kinder schon gar nicht. Wer eine solche Botschaft lesen und akzeptieren kann ohne bittere Gedanken gegen andere oder sich selbst, ist frei, vielleicht sogar frei dennoch zu lieben.

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Livesendung vom 25. Januar 2016

 

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Info 15-12 "Verschiedenheit feiern"

«Alle sind grösser, klüger, schöner als ich.» Viele Kinder vergleichen sich unablässig mit ihren Gleichaltrigen, aber auch mit ihren Geschwistern und fragen sich, ob ja alles immer gleichmässig und somit gerecht verteilt sei. Was für eine hoffnungslose Sache. Wer auf der Suche nach dieser Art von Gerechtigkeit ist, wird immer frustriert sein. Was für ein Eifer herrscht doch, im Namen der sogenannten Chancengleichheit, alle Besonderheiten und Spezialitäten einzuebnen.

Ich habe als Kind darunter gelitten, dass ich nicht war wie jene, die ihre Sachen nicht liegen lassen, ihre Hausaufgaben nicht vergessen und keine Termine verpassen. Es schien mir, als sei man ohne diese Gaben höchstens geduldet auf dieser Welt. Andere dachten wohl so in Bezug auf die Mathematik, die Rechtschreibung oder andere disqualifizierende Defizite. Wie schön wäre es, wenn wir uns entschliessen könnten, einander die Unzulänglichkeiten auszugleichen, statt sie uns vorzuwerfen! Ist es nicht ein wunderbarer Plan Gottes, dass wir ja eben gerade nicht autonom und unabhängig sind? Nicht einmal fortpflanzen können wir uns selbständig... Das göttliche Prinzip heisst Kooperation, nicht Konkurrenz und auch nicht Gleichmacherei. Im Stall zu Bethlehem versammelten sich die verschiedensten Kreaturen. Alle knieten sie vor Ihm. Das ist die Art von Gemeinschaft, von der ich träume. Ich wünsche euch allen gesegnete Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

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Livesendung vom 28. Dezember 2015

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Info 15-11 "Ist dein Kind undankbar?"

Wenn ja, dann mache dir bewusst, wie frustrierend das für dich im Grunde ist. Wenn jemand deine Dienste, deine Zuwendung oder auch Dinge von dir entgegennimmt ohne ein Zeichen der Dankbarkeit, dann fühlst du dich zu Recht irgendwie beraubt. Vielleicht schüttelst du jetzt den Kopf. Wir haben uns daran gewöhnt, und es gilt als ausgemacht, dass Kinder ja das Recht haben auf Zuwendung, Schutz, Nahrung und Obdach. Ähnlich wie wir selber ja selber wenig dankbar sind für all die Segnungen, die uns zuteil werden. Manchmal schauen wir neidvoll auf Menschen anderer Kulturen, die fröhlicher und dankbarer sind als wir und deshalb wohl glücklicher trotz allen Mangels.

Ich lade dich ein darüber nachzudenken, woran das liegen könnte.

Was meinst du zu dieser These? "Kinder - ja, alle Menschen - haben dann Zugang zur Dankbarkeit und damit zu einem Stück Glück, wenn sie einen Mangel als Bedürfnis wahrnehmen und nicht als ein vorenthaltenes Recht." Wie aber kommen wir dahin? Ein Recht zu haben, ist zwar etwas Schönes. Wichtig wäre es, dankbar dafür zu sein, dass uns dieses Recht zugestanden wird. Es war ja nicht immer so!

Zentral aber ist es, dass wir die Bedürfnislage im Auge behalten. Sie steuert nicht nur die Hierarchie, sondern auch die Gefühle der Dankbarkeit. Wieso soll ein Kind dankbar sein, wenn man ihm eine Frage beantwortet, die es gar nicht gestellt hat? Wieso soll es dankbar sein für das elterliche Coaching, wenn es dieses als Kritik und Gängelei erlebt und die Aufgabenhilfe als mütterlichen Kontrollzwang? Oft ist es deshalb hilfreich zu warten, bis dem Kind ein Bedürfnis bewusst wird, als ihm vorschnell alles Ungemach aus dem Weg räumen zu wollen.Du kennst unseren Leitspruch: “Die wichtigsten Dinge im Leben kann man weder einfordern noch erzwingen: das Vertrauen, die Liebe, den Respekt und letztlich auch nicht den Gehorsam - nur hässliche Kopien davon.” Die Dankbarkeit würde auch in diese Liste gehören, und die “Dankbarkeitspflicht” wäre dann die hässliche Kopie.

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Livesendung vom 30. November 2015

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Info 15-10 "Das sagt man nicht!"

“Dumme Mama!” Bist du auch der Meinung, dass es nicht okay ist, wenn ein Kind so oder ähnlich mit seinen Eltern spricht? Viele Eltern lassen es zu, und manchmal fürchte ich, dass sie sich von mir darin bestätigt sehen. Vielleicht denken sie an diese berechtigte Forderung: Die Kinder sollen ihre Gefühle zeigen dürfen. Mehr noch: Sie sollen sie zeigen. Aber: Wir sollten als Eltern alles daran setzen, den Kindern die entsprechende Form dafür zu zeigen. Es hilft also in keiner Weise, einem Kind, das dich so benennt, zu sagen: “Das sagt man nicht!” Wichtig ist ja, dass du ihm sagst und vor allem vorlebst, wie man seine Wut und seine Frustration angemessen ausdrückt. Angemessen wäre in diesem Fall “nicht abwertend”, da ein Kind ja darauf angewiesen ist, zu den Eltern aufzuschauen. Wenn ein Kind also herumtobt und schreit, dass es dein Nein nicht ertragen kann, dann wäre das etwa die Richtung, die ich für hilfreich halte. Oder Mundart: “Es sch... mich mega a! Ich halt’s fasch nöd us, wenn i nöd cha …!!!”

Dein Vorbild wird hier wichtig sein: Deine Kinder ertragen es, wenn du frustriert bist, aber sie ertragen es nicht, dich als Gegner oder gar als Feind zu erleben. Schrei also in der Wut, aber schreie nicht an, schlage in deine Hand, aber nicht dein Kind. Schmeisse vielleicht auch den Bleistift in eine Ecke, aber bedrohe nicht dein Kind. Je unreifer dein Kind ist, desto mehr ist es darauf angewiesen, dich auf seiner Seite wahrzunehmen. Nun, vielleicht gehörst du ja zu jenen, die nie wütend werden und die alles ertragen können. Falls das aber nur nach aussen so scheint, könnte es sein, dass deine Eltern es dabei bewenden liessen zu sagen: “So sprichst du nicht mit deinem Vater!”

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Livesendung vom 26. Oktober 2015

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Info 15-09 "Wer hilft wem?"

«Mama, wo sind meine Turnschuhe?», ruft Pascal (9). Die Mutter macht sich sofort auf die Suche und findet schliesslich nicht die Turnschuhe, sondern ihren Pascal, der auf dem Bänklein im Gang sitzt, vertieft in ein Comicheft. Die Mutter wird ihn jetzt bestimmt auffordern, ihr zu helfen und nicht einfach zu warten.


Interessant ist hier die Frage: Muss man das einem Kind wirklich beibringen? Ich bin überzeugt, dass Kinder sich spontan schuldig fühlen, wenn etwas nicht läuft, wie es sollte - solange sie sich für die Sache verantwortlich fühlen. Kinder zeigen es an, wenn sie für einen Bereich Verantwortung übernehmen wollen. Lassen wir es zu? «Selber!» heisst das Zauberwort. Wenn ein Kind ein Glas in die Hand nimmt, dann übernimmt es damit auch die Verantwortung dafür, was mit dem Inhalt geschieht. Was aber tun wir, wenn es den Sirup verschüttet? Nehmen wir an, das dreijährige Kind sei eben dabei, mit der Serviette und den blossen Händen den Sirup auf dem Tisch zu verteilen. Dabei kommen auch andere Gläser in Gefahr.

Vergleiche die folgenden Szenarien:

«Lass das, du machst es ja nur noch schlimmer!», sagt die Mutter, holt den Lappen und putzt den Tisch.

«Pass doch auf, schau mal, was du angerichtet hast. Hol sofort den Lappen!»

«Moment, komm, wir helfen dir beim Aufwischen!» Alle heben ihre Sachen hoch, der Kleine holt den Lappen und beginnt schon mal. Bei heiklen Stellen wird der Lappen gleich von zwei Händen geführt, von einer kleinen unten und einer grossen darüber. Und das Kind wird spüren: «Wenn mir etwas passiert, dann trage ich die Folgen, aber meine Familie hilft mir und lässt mich nicht im Stich.»

Zurück zu den Turnschuhen. Quizfrage: Welche Szene stammt wohl am ehesten aus Pascals Kindheit?
 
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